Galerie Mezzanin

Wer im Herbst 1995 den großen Ausstellungsraum der Wiener Secession betrat, stand in einem verblüffenden Environment. Eine Röhre in schwarzweißer, graphischer Modulation war als immergleiches einfaches Zeichen, »all over« in Form einer Tapete über die Wände verteilt. Der Verlauf dieser verschieden langen und unterschiedlich dicken Röhren aus dem endlos wiederholten Modul schien von keiner zentralen Hand gesteuert, sondern einfach dem Zufall überlassen worden zu sein. Mit der unmittelbaren Wiedererkennbarkeit des Zeichens, der »Röhre«, entstand durch diese zufällige Verteilung und durch die Kreuzung und Überlagerung der dünneren und dickeren Röhrenteile ein kaum noch visuell bestimmbarer Raum. Der tatsächliche Ausstellungsraum der Secession war bis zur Infragestellung der Orientierungsmuster dekonstruiert. Alle Koordinaten schienen flexibel und verschiebbar geworden zu sein. Das vorgetäuschte, die Architektur brechende Raumensemble bildete kein Trompe l’œil, sondern legte seine Künstlichkeit offen dar. Die Sparsamkeit und Präzision der Elemente schufen eine eigentümlich nüchterne und zugleich hochästhetische Atmosphäre. Dazu kam - gewissermaßen als drittes Moment - ein radikaler Umgang mit dem Kunstbegriff. Dieser beinhaltete zum einen das Verschwinden des Künstlers als expressionistischer Erfinder wie als handwerklich Ausführender. Zum anderen ging es um eine lückenlose Anwendung des Prinzips der mechanischen Wiederholung der Bildzeichen. Diese methodischen Innovationen haben die westliche Kunst seit der ästhetischen Revolution der sechziger Jahre geprägt, fanden sich in der Ausstellung von 1995 aber erfrischend eingesetzt, als seien sie soeben erfunden worden, und zu einem überzeugenden Experiment an der Schnittstelle von realer und virtueller Raumvorstellung geführt. Ebenso zeugte die Raumarbeit von einer Vision der Rolle von Kunst: diese kann, so vertrat der Künstler fast manifestartig, sowohl architekturähnlich präzise und abstrakt als auch in ihren Parametern für jedermann jenseits von Bildungs- und Kulturgrenzen verständlich sein. Der Kunstgriff der Ausstellung bestand darin, von einem solchen Ausgangspunkt zu einem umfassenden ästhetischen Gegenvorschlag zur bestehenden Welt zu gelangen.

Wer immer diese Ausstellung von Peter Kogler in der Wiener Secession sah, behielt davon einen bleibenden Eindruck. Wie nur selten in der Kunst wurde deutlich, dass es sich um einen wirklichen »Wurf« handelte, um einen sicheren Griff, der es einem Künstler erlaubte, die Idee greifbar zu machen, um die sich seine ganze Arbeit dreht. Besonders auffallend war, dass er sich in seiner Einzelausstellung in der Secession mit den Raumarbeiten auseinandersetzte, die im selben Ausstellungsraum seit 1987 von legendären Künstlern der Minimal- und Konzeptkunst gezeigt worden waren, wie Sol LeWitt, Joseph Kosuth, Daniel Buren. Sie haben im Hauptraum der Secession zwischen 1987 und 1989 die ersten großen Raumarbeiten in Wien überhaupt ausgeführt. Dabei aber hatten diese Künstler bereits in der Begegnung Koglers mit der Avantgarde-Kunst seit der Mitte der siebziger Jahre in Innsbruck eine große Rolle gespielt. Man könnte noch Franz West nennen, der seit den ersten Wiener Jahren Peter Koglers, ab 1979, einen wichtigen Einfluss auf den angehenden Künstler ausübte und dessen Einzelausstellung im Hauptraum der Wiener Secession 1987 wohl das erste Beispiel einer meister-lichen raumkünstlerischen Inszenierung aus einem post-minimalistischen Skulpturbegriff darstellte.
Für einen Rückblick auf das Werk von Peter Kogler ist die Ausstellung in der Secession deshalb so bedeutend, weil sie zusammenfasst, worum es dem Künstler mit seinen Arbeiten geht. Zudem spielt diese Ausstellung eine zentrale Rolle für seine Laufbahn. Sie bildete die große Bestätigung nach dem Medienerfolg der Installation mit dem Ameisenmotiv auf der documenta IX in Kassel 1992. Ausgehend von der Installation in der Secession 1995 ergab sich die Einladung zu einer Arbeit auch für die documenta X von 1997, die sich auf das gesamte Volumen eines Museumsgebäudes ausdehnte und zur Bestätigung seiner Rolle für die Gegenwartskunst-Szene wurde. Auch die Vision des Künstlers von einer ästhetischen Gegenwelt in der Welt der Bildschirme wurde mit der Röhreninstallation in der documenta-Halle von 1997 begreifbar. †ber diese Eckdaten - 1992 (documenta IX), 1995 (Wiener Secession) und 1997 (documenta X) - ist er einer der prägenden Künstler der neunziger Jahre geworden. In der documenta X ging es der Kuratorin Catherine David überdies ganz besonders darum, eine zukunftsgewandte Perspektive der Kunst aufzuzeigen, etwas, das Koglers Werk ursächlich zugrunde liegt. Auch die Retrospektive im Kunsthaus Bregenz ist ja als ein solcher »Blick nach vorne« angelegt, ganz anders als die klassische Auffassung der Retrospektive als eines legitimen Rückblicks auf ein künstlerisches Werk, das bereits mehr als zwei Jahrzehnte umfasst. In den zitierten Arbeiten tauchen durchwegs drei Elemente auf, die sein gesamtes Werk durchziehen. Auffallend ist erstens der Umgang mit einfachen, für jedermann verständlichen und wiedererkennbaren Zeichen. Dazu kommt das hochgradige Interesse am Raumbegriff und an der Architektur. Und zuletzt steht dies alles im Dienst einer visionären Vorstellung von der Rolle des Künstlers in einer neuen Welt, deren Formen sich erst abzeichnen und die von heute noch weitgehend unvorhersehbaren Bildbegriffen bestimmt sein wird. Der Leser mag einwenden, dass mit dieser Aufzählung ein weiterer, ja vielleicht der zentrale Aspekt in der Arbeit von Peter Kogler vergessen worden sei: Ist er nicht vor allem als Medienkünstler bekannt? In gewisser Weise wird Kogler mit Medienkunst identifiziert, und dies nicht nur im deutschsprachigen Raum. Doch näher betrachtet, handelt es sich teils um ein Missverständnis, teils um eine journalistische Verkürzung. Seine Kunst hat nur in seltenen Fällen die Form elektronischer Medien, wenngleich zutrifft, dass diese Kunst in hohem Grade über die Medien und ihre Funktionsmechanismen reflektiert. Die Vokabel »Medienkunst« trifft schon hinsichtlich des Materials auf seine Arbeiten nicht zu. Dieses künstlerische Werk geht zwar vom zentralen Stellenwert der Medien für die visuellen Sachverhalte der Gegenwart aus, doch es nähert sich diesem Problem von den Rändern des Medienbegriffs her - und zwar seit den ersten Ansätzen von Koglers Arbeit in den siebziger Jahren. Die skeptische Zurückhaltung gegenüber der Verwendung rein medialer Bildmedien (Bildschirm, Computer, elektronische Bilddarstellung) als materielle Träger des Kunstwerks macht gerade die ästhetische Spannung seiner Arbeiten aus.
Koglers Anfänge liegen in den späten siebziger Jahren in Innsbruck. Es gab dort zwei bescheidene Kunst-Institutionen, die Galerie von Ursula Krinzinger und die von Peter Weiermair geleitete Landesgalerie im Taxispalais. Beide waren in das internationale Kunstgeflecht weit mehr eingebunden als jede damalige Institution in Wien. So konnte man in Innsbruck und bei den Reisen zu Ausstellungen und Kunstmessen in Köln, München, Mailand, Zürich und Basel mehr als in Wien das ganze Repertoire der Konzept-, Minimal- und Körperkunst aus erster Hand, von den Pionier-Künstlern der sechziger Jahre kennenlernen.
Peter Koglers früheste, nie ausgestellte Arbeiten zeigen schon diese dreifache Idee einfacher Zeichen, raumfüllender Zusammenhänge und eines visionären Begriffs des Künstlers. Während Performance, Video und sprachbezogene Arbeiten den Zeitgeist bestimmten, zeugen die ersten Arbeiten vom Versuch, weiterhin mit dem Keilrahmen umzugehen, doch ohne das herkömmliche Bild. Die Arbeit mit reflexartig rezipierbaren Zeichen, die das Werk bis heute trägt, war bereits mit diesen Arbeiten vor dem Eintritt in die Kunsthochschule eingeleitet, zu einem Zeitpunkt, als der Siegeszug des Personalcomputers und die schiere Möglichkeit einer Bildbearbeitung per Computer noch gar nicht zu erkennen waren. Dieser Umgang mit Signalen, die zugleich nichtliterarisch, unpsychologisch und abstrakt im zeichentheoretischen Sinne sind, durchzieht die Arbeit von Peter Kogler seit den Anfängen. Sie hat mit einer medienanalytischen Kunst ursächlich nichts gemein, auch wenn der Microcomputer ab Mitte der achtziger Jahre eine zentrale Rolle als Handwerkszeug in der Fertigung der Werke einnehmen sollte. Zum ersten Mal fiel Peter Kogler in Wien Ende 1979 in der Ausstellung Situationen-Positionen auf. Dieser erste größere öffentliche Auftritt zeigte den sicheren ästhetischen Griff und die distanzierte, reflektierte Haltung, die bis heute die Arbeiten des Künstlers auszeichnet. Es handelte sich um eine Nachwuchsausstellung der Galerien nächst St.Stephan, Grita Insam und Ursula Krinzinger, die eine aufstrebende Künstlergeneration zu definieren suchte. Die meisten Künstler zeigten Installationen, die vom Willen bestimmt waren, Wege aus Performance und Konzeptkunst zu finden. Kogler präsentierte eine »fünfminütige Ausstellung« im kleinen Ausstellungsraum der Galerie nächst St.Stephan. Zu Beginn der Vernissage war sein Raum mit dem Hinweis geschlossen, der Ausstellungsaufbau sei noch nicht beendet. Dann wurde gerufen, die Ausstellung sei nun auch hier zu besichtigen. Eine Szene aus zwei ironischerweise identischen Formen war von einem Baustellenscheinwerfer beleuchtet. Rechts befand sich eine kleine Palme in einem Blumentopf. Links stand ein junger Mann nackt auf dem Kopf in einem Metallgefäß (das übrigens im gleichen Jahr für Joseph Beuys’ Installation Basisraum Nasse Wäsche angeschafft worden war), die Beine im Lotussitz gekreuzt, was die Gestalt der Palme wiederholte. Als der Körper des jungen Mannes - es war Kogler selbst, doch sein Gesicht war für das Publikum nicht sichtbar - aus Erschöpfung zu zittern begann, wurde gerufen: »Die Ausstellung ist beendet!« Kogler gab seine akrobatische Stellung erst auf, nachdem der letzte Besucher den Raum verlassen hatte. Es handelt sich um ein präzises Statement zur Problematik der Post-Performance, die fast alle Kunstrichtungen der Folgejahre prägte, insbesondere die Malerei der »Neuen Wilden«, wobei Koglers Vorlieben und Abneigungen, wie die Skepsis gegenüber expressionistischer Kunst, schon durchdrangen.
Seine erste Einzelausstellung fand 1984 in der Galerie Krinzinger in Innsbruck statt. Die Schau war als eine Art Retrospektive der Kartonobjekte gestaltet, mit denen er seit etwa zwei Jahren seine erste kontinuierliche ästhetische Linie gefunden hatte. Simpler grauer Karton war zu Wandskulpturen gefaltet, die viel leichter waren, als sie aussahen. Obgleich Koglers spätere Methoden (Siebdruck, computergenerierte Wiederholung, Tapete usw.) in den Kartonobjekten noch kaum zu erahnen sind, empfangen schon diese Arbeiten - wie die späteren Werke - einen unbestreitbaren Charme, der von ihrer materiellen Einfachheit und Banalität ebenso wie von ihrer Position im Grenzbereich zur Immaterialität des Zeichenträgers ausgeht. Das wichtigste Element der Kartonobjekte aber sind mit Kohle aufgezeichnete, schier endlos wiederholte Zeichen. Es konnte sich beispielsweise um Unmengen herabfallender Menschenfiguren handeln, wobei derselbe anonyme Mann im schwarzen Anzug an ein und demselben Objekt Dutzende Male auftauchte. Peter Kogler teilt in gewisser Weise eine Generationserfahrung der Künstler der frühen achtziger Jahre, nämlich jene der »Neuen Skulptur«, die nach einer konzeptuellen Ausbildung neue Wege zu einem räumlichen und sinnlich wirkenden Kunstobjekt suchten. Zugleich aber hat er die Praxis der neoplastischen Bildhauer gleichsam übersprungen. Die Kartonobjekte setzten der physischen Schwere dieser Kunst eine materielle Leichtigkeit und ein Vertrauen in die Wiederholung banaler Zeichen entgegen, die auch ein ironisches Statement darstellten. Der Eröffnungsredner der Ausstellung bezog sich auf das »leichte Zeichen« à la Roland Barthes. Die weit wichtigere Rolle der Wiederholung dieser Zeichen in Koglers Arbeiten sprang offensichtlich noch nicht ins Auge. Der Bezug auf Roland Barthes ist insofern stichhaltig, als ein Ausgangspunkt für Peter Kogler durchaus in der Zeichentheorie lag. Neben der Wittgenstein-Lektüre, die seine Künstlergeneration in Österreich prägte, setzte er sich Ende der siebziger Jahre intensiv mit der Zeichentheorie auseinander, auch wenn die strukturalistischen Texte von Roland Barthes, Umberto Eco und Max Bense aus den sechziger und siebziger Jahren zunächst keine konkrete Umsetzungsmöglichkeit in seine künstlerischen Ansätze zu bieten schienen.
Die Kartonobjekte bezeichnen die Befreiung zu einer unabhängigen, persönlichen Position in der Kunst. Dieser erste entscheidende Schritt hatte sich für Peter Kogler durch den Umzug nach Wien ergeben. Er kam zunächst 1978 zum Studium an der Akademie der bildenden Künste, 1983 aber endgültig nach Wien. Das neue Klima befreite den Künstler aus der lyrisch-freundlichen Stimmung der Innsbrucker Kunstszene. In Wien bezog er eine neue Spannung auch aus dem Umstand, dass er als Nichtwiener aus der »Provinz« in die Hauptstadt kam. Auch andere Protagonisten mit internationaler Dimension aus dieser österreichischen Künstlergeneration, Herbert Brandl, Gerwald Rockenschaub und Heimo Zobernig etwa, profitierten paradoxerweise von der anfänglichen Fremdheit und Ausgrenzung in Wien, die in einer Generation praktisch niemals ganz verschwindet. Der Radikalisierungseffekt dieser Wien-Zuwanderung hat sich in der österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts mehrfach gezeigt, besonders mit den Künstlern des »Wiener Aktionismus« der sechziger Jahre, die aus der anfänglichen Marginalisierung durch die selbstgewisse Wiener Kunstszene jene Kraft bezogen, die sie über die Akademismen der Hauptstadt springen ließ.
Diese Situation hat Peter Kogler einige Monate nach seiner Aufnahme in die Bühnenbild-Klasse der Akademie der bildenden Künste mit einer unangemeldeten Aktion zum Ausdruck gebracht, nach der er den Verweis von der Akademie durch einen freiwilligen Abgang vermied. Kogler kam morgens in die Schule, breitete ein weißes Leintuch zwischen der Eingangstür und der Portiersloge aus, setzte sich auf einen Stuhl, trug sich mit Rasierschaum jene ironische Nachahmung der Hörner von Michelangelos David auf die Wangen auf, die Marcel Duchamp auf dem berühmten Foto von Man Ray trägt, und las schweigend die Duchamp-Biographie von Robert Lebel in der deutschen Ausgabe des DuMont-Verlags, die ebendieses Foto sehr sichtbar auf der vierten Umschlagseite trägt. Studenten und Lehrende blickten beim Betreten der Akademie schweigend auf den duchampianischen Studenten, der gleichfalls schweigend dasaß und las. Gegen Mittag kam eine vom damaligen Rektor, der vorher nicht mit ihm gesprochen hatten, herbeigerufene Polizeistreife, die ihn des Hauses verwies und zur Ausweisleistung mitnahm. Eine Woche später publizierte die Alternativzeitung »Falter« eine ausführliche, in neutraler €sthetik gestaltete Fotoserie über die Aktion. Diese zeigt insbesonders, wie offen und locker im Umgang mit verschiedenen Ausdrucksbereichen bereits damals die Arbeit von Peter Kogler ausfiel. Diese Qualitäten ziehen sich bis in die großen, raumfüllenden Installationen der Gegenwart.
International Notiz genommen hat man von Peter Kogler im Jahre 1986 mit den ersten Arbeiten, die auf dem Computer gefertigt sind. Die Verwendung des Microcomputers zur Erzeugung der Bildmotive stellt den zweiten entscheidenden Schritt im Werk des Künstlers dar. Deshalb ist es auch durchaus folgerichtig, dass die Bilder aus dieser Zeit die älteste Werkgruppe in dieser retrospektiven Ausstellung im Kunsthaus Bregenz bilden. Besonders die Ausstellungsbeteiligung bei der Aperto 86 auf der Biennale von Venedig brachte ein nachhaltiges internationales Interesse in Gang. Die Arbeiten der Biennale von Venedig 1986 repräsentieren für uns heute erstmals das Erscheinungsbild der Kunst, die man mit seinem Namen identifiziert. Weit schwerer ist es dagegen, sich in die Lage dieser Zeit zurückzuversetzen und die ursprüngliche Wirkung dieser Bilder zu erahnen. Die einfachen und zugleich monumentalen grafischen Zeichen auf monochromem Grund, die auf diesen Arbeiten zu sehen sind, bildeten einer der ersten Fälle in der zeitgenössischen Kunst, wo das Bildmotiv ganz offensichtlich per Personalcomputer gefertigt war. Daraus beziehen diese Arbeiten noch heute ein Flair, das sie im Gesamtwerk vereinzelt. In gewisser Weise lassen sie verspüren, dass mit ihnen ein neues Medium erschlossen wurde. Fünfzehn Jahre später arbeiten die meisten Kunststudenten auf die eine oder andere Weise mit dem Computer zur Erstellung von Bildern, Videofilmen, Skizzen und Installationen. 1986 war dies kaum zu erahnen. Auch in der zeitgenössischen Kunst sind die Künstler an den Fingern abzuzählen, die das Entwicklungspotential des Personalcomputers gerade auch als Material der bildenden Kunst erahnten und ihn ins Zentrum ihrer Arbeit stellten.
Zugleich aber sind diese Arbeiten mit ihren schwarzweißen, skulpturalen Zeichen auf monochromem Grund weit von der Computerästhetik entfernt, die die elektronische Bildwelt der achtziger Jahre dominierte. Die ersten Bildcomputer und Computerspiele gingen mit flachen Farbfeldern in schreiendem Kolorit um. Ihre €sthetik würde heute bereits unglaublich primitiv wirken, gleichsam urzeitlich ob der klobigen Einfachheit der Zeichensprache, die mit der geringen Rechenkapazität der damaligen Computer verbunden war. Peter Kogler hatte in seinen Biennale-Arbeiten von 1986, wie in den meisten Serien dieser Jahre, auch in Bezug auf den Computer eine Außenseiterposition gewählt. Ob der begrenzten Nuancierungsmöglichkeiten damaliger Bildcomputer entschied er sich für eine Art bewussten Primitivismus. Die Köpfe auf diesen Bildobjekten sind betont grafisch gehalten, ausschließlich in Schwarzweiß und mit deutlich sichtbaren Rasterstrukturen gestaltet. Bis heute zählt es zu den besonderen Qualitäten von Peter Kogler, mit seinem Werk zwar eindeutig auf eine nunmehr vom Computer und der digitalen Bildbearbeitung bestimmte Welt einzugehen, sich zugleich aber der geläufigen Computerästhetik, die von der Computerindustrie bestimmt wird, im maximalen Ausmaß zu entziehen. Die Qualität besteht unter anderem darin, dass man vor den bildnerischen Arbeiten nicht an die gewohnte Oberfläche des Bildschirms erinnert wird, die von kommerziellen Großunternehmen gestaltet ist. Ein Koglerscher Kunstgriff, der mit den Biennale-Arbeiten von 1986 manifest wurde, besteht darin, die Möglichkeiten des Computers so weit wie möglich auf eine einfache plastische Vorgabe zu reduzieren, deren komplexe Rechnungserfordernisse aber für die Hand des Künstlers außer Reichweite lägen. Die Präzision einer komplexen Form, wie sie nur der Computer zustande bringt, geht mit einer visuellen Vereinfachung einher, die mit der gewohnten €sthetik der Medienkunst und der Informationsfülle der elektronischen Bildschirme bricht. Auch von der Materialität her haben seine Bilder kaum etwas mit der Medienkunst dieser Epoche zu tun. Die späten achtziger Jahre waren von fotografischen Vergrößerungen auf Cibachrome und anderen Plastikpapieren, von Skulpturen mit industrieähnlichen, perfekten Oberflächen und von vielfältigen Dialogen und Konfrontationen zwischen der postmodernen Werbewelt und künstlerischen Positionen geprägt. Gegenüber den vielen glatten, designten Erscheinungsweisen in der Gegenwartskunst von 1985 und 1990 nahmen sich Koglers Bildobjekte eigentümlich, fast anachronistisch aus. Seit dem Biennale-Auftritt von 1986 wird der Künstler im internationalen Kunstbetrieb beachtet. Die damaligen Arbeiten sind im Vergleich zum ästhetischen Zeitgeist roh und ungehobelt. Dies gibt ihnen heute ihre nachwirkende Kraft. Sie zeigten auf den ersten Blick, dass die Bildmotive vom Computer gefertigt waren. Die rauhe Oberfläche der Leinwände, die Auftragung des Zeichens per Siebdruck und die dadurch bedingten Fehler, die Form des Tafelbildes und die skulpturalen, von der siebbedruckten Leinwand überzogenen Boxen als eigentliche Bildträger bilden durchwegs Elemente der »Entfremdung« dieser Arbeiten von der gewohnten medialen Welt. Wenn Peter Kogler heute als ein führender Medienkünstler bekannt ist, so geht dies aus der frühen Entscheidung hervor, sich mit medial erarbeiteten Kunstwerken möglichst deutlich von der herkömmlichen €sthetik der Medien abzugrenzen. Gegenüber der Verwechslung von Bildschirm (screen oder écran) und Bild (image), die die Mediengesellschaft weitgehend prägt (»Der Bildschirm ist nicht das Bild, welches zumindest in seiner abendländischen Tradition mit einem kritischen Reflexionspotential aufgeladen ist, das im Funktionieren des Bildschirms nur störend ist«, so Paul Virilio), vereinen die Arbeiten von Peter Kogler fast durchwegs die offensichtliche Fertigung der Motive durch den Computer mit der Ablehnung einer bildschirmgerechten Erscheinung. Es handelt sich um Leinwände. Zur Ausstellung bedarf es keines technischen Utensils.
Der dritte entscheidende Schritt im Werk von Peter Kogler ergab sich um das Jahr 1988. Die ersten computergefertigten Arbeiten hatten ab 1985 die grafische Archaik gegen die geläufige Computerästhetik eingeführt, aber einzelne, figurale Motive in Szene gesetzt. In mehreren Serien, die sich um figurale Motive drehen, ging es für den Künstler darum, ein Repertoire an möglichst simplen, verständlichen und zugleich komplexen Zeichen zu entwickeln. Der Umgang mit einzelnen, in die Bildmitte gesetzten Zeichen bildet aber auch einen Sonderfall in seinem Werk, das zuvor und danach ein beträchtliches Potential aus der mechanischen Wiederholung gleicher Zeichen und aus dem Prinzip des »all over« bezog. Die mechanische Wiederholung immergleicher Zeichen, die in den Kartonobjekten der frühen achtziger Jahre vorherrscht, ist mit den abstrakten Leinwandobjekten der späten achtziger Jahre wiedergekehrt. Auch diese sind nunmehr in der Bregenzer Ausstellung als punktueller Rückblick zu sehen. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Ausstellung stießen diese Arbeiten jedoch weitgehend auf Ablehnung. Kogler war seit 1986 für »einfache Bilder« kategorisiert, verließ knapp danach aber das figurale Motiv zugunsten repetitiver, als dekorativ wahrgenommener Prinzipien. Jan Hoet hat 1987 diese Arbeiten bei der Europalia in Belgien erstmals groß ausgestellt.
Die abstrakten Arbeiten der späten achtziger Jahre leiten also den dritten und wohl entscheidendsten Schritt in seinem Werk ein, nämlich die zentrale Bezugnahme auf die Architektur. Die erneute Einführung der Serialität als leitendes Prinzip der Arbeiten ergab nach einem langen Los Angeles-Aufenthalt um 1989/90 den Schritt zur raumfüllenden Dimension. Aus der berühmten documenta-Arbeit von 1992 mit dem Raumgeflecht aus einer einzigen wiederholten Ameise gingen mehrere Rauminstallationen per computergeneriertem Motiv auf Siebdruck und Wandtapete hervor. Die Installation im Eingangsraum zur documenta IX wurde wiederum trotz vieler Schwierigkeiten von Jan Hoet ermöglicht, der schon 1987 ein überraschendes Vertrauen in Peter Kogler gesetzt hatte. Seit dieser weltweit wahrgenommenen Arbeit von 1992 ist Koglers Werk genügend bekannt, um im Rahmen dieses Aufsatzes im Einzelnen abgehandelt zu werden. Eine Bemerkung sei abschließend noch erlaubt. Peter Kogler ist heute einer der prägenden Künstler der Gegenwart. Wie weit der Einfluss und die Wahrnehmung der drei entscheidenden Arbeiten der neunziger Jahre - auf den beiden documentas und in der Secession - reicht, kann man sich kaum vorstellen. Kogler hat sich seit seinen ersten Ansätzen als Künstler vor zwanzig Jahren dafür entschieden, wenige, durch alle Kulturschranken verständliche Zeichen zu verwenden, die Medien als bestimmendes Kulturphänomen der Gegenwart einzubinden und daraus eine Vorstellung kritischer Kunst zu rekonstruieren. Dies bedeutet eine regelmäßige Gratwanderung. Die besondere Form dieser »Retrospektive nach vorne« hat mit diesem pesönlichen Potential zu tun.