Galerie Mezzanin

Barré

Christina Zurfluh, Ausstellung Fonderie Darling, Montreal, 2014

 

Die ständige Suche nach  Neudefinierung und Überprüfung der eigenen Möglichkeiten ist  für das Medium  Malerei  zur Selbstverständlichkeit geworden,  ja in gewisser Weise auch ihr Überlebenselixier. Obwohl die Malerei im historischen Rückblick mehrfach schon für tot erklärt wurde, hat sie ihren Sonderstatus bis heute nicht eingebüßt.  Der  Bruch mit einem  modernistischen Malereibegriff  hat ihre Grenzen fließender und durchlässiger gemacht. Die Malerei hat einen einst klar abgesteckten Kompetenzbereich verlassen und sich zu den Medien Fotografie, Video und Installation hin geöffnet.  Historisch gesehen hat dieser Prozess der Grenzüberschreitung  schon mit den konzeptuellen und minimalistischen Tendenzen der Nachkriegskunst begonnen. Gerade weil die Malerei vielfach  Leinwand, Farbe oder Keilrahmen hinter sich gelassen hat,  fordert sie ständig zur Reflexion auf und hat so nie an Bedeutung verloren.

 

Die historischen Entwicklungen der Malerei haben auch Christina Zurfluhs Umgang  mit ihr  geprägt.  Das  intensive Spiel mit der Farbe, die  mehrfach überlagerten Farbschichten, die verwischten schwarzen, oder mit malerischer Geste hingeworfenen Spuren weißer Farbflecke erzeugen Spannung und provozieren einen anderen, neuen  Blick auf eine Malerei, die eher einem urbanen Umfeld entwachsen zu sein scheint,  als der Abgeschiedenheit eines Malerateliers.

 

Die Künstlerin  hat sich  von den  Zwängen des Pinsels gänzlich befreit,  allerdings ohne Anspielungen auf den Pinselstrich in ihren Bildern zu unterdrücken oder zu vermeiden. Bewusst überlässt sie die  in  mehreren  Schichten auf eine Plastikfolie aufgetragene Acryllfarbe dem spielerisch kalkulierten Zufall, simuliert  Fusspuren,  reibt und  verwischt sie wieder. Ein fast körperlicher Vorgang,  für den sie den Boden ihres Ateliers als Arbeitsfläche nutzt. Die  mehr-schichtige Farbhaut wird von der Folie gelöst und auf die weiß grundierte Leinwand appliziert. Die ausgefransten Ränder, die durch das Abziehen der Plastikfolie entstandenen Faltungen, Blasen und Verdichtungen verleihen den Bildern  einen  weiteren, dreidimensionalen Aspekt.  Zurfluhs haptisches Verhältnis  zum Bild – auch als Material  verwischt hier ganz selbstverständlich jene klassische Trennung der medialen Kategorien Malerei, Installation oder Skulptur.

 

Die oft  schrille  Farbigkeit ihrer Bilder lassen Assoziationen zur Pop Art entstehen – wie beispielsweise zu  Andy Warhols Bilderzyklus „Shadows“- der sich trotz seines malerischen Ansatzes gleichzeitig zu einer großen Rauminstallation zusammenfügt Zurfluhs  Ausstellung bezieht sich bewusst auf den schmalen rechteckigen Raum der „Fonderie Darling“.  Die an den Längsseiten in einem seriellen Rhythmus angeordneten Bilder spiegeln sich  in den Säulen wieder und erweitern  sich so  ganz selbstverständlich zu einer eigenen räumlichen Installation. Die jeweils waagerecht voneinander abgegrenzten zweiteiligen manchmal grellen, der Popart verwandten monochromen Farbflächen  widersprechen und ergänzen sich zugleich.  Als eine Art Kontrapunkt dazu, sind an den Kopfenden des Ausstellungsraumes  zwei größere Arbeiten platziert,  deren senkrechte Farbfelder  trennende aber ebenso verbindende Übergänge schaffen. „Barré“,  der auf einen Begriff aus der Textilbranche zurückgreifende Titel der Schau steht für „fehlerhafte Streifigkeit“ oder „Ausrutscher“, die vor allem auf synthetischen Stoffen zu finden sind. Er könnte aber auch  auf eine künstlerische Haltung verweisen, die gewillt ist immer wieder unerschrocken  mit der ganzen Bandbreite  malerischer  Möglichkeiten und Materialien zu experimentieren.

 

Alexandra Reininghaus