Galerie Mezzanin

Thomas Bayrle
Pinsel durchgespielt

Press release

Mr. Button


Es gibt einen Portrait-Kopf von Thomas Bayrle, der aus nichts als Knöpfen besteht. Es ist eigentlich immer der selbe Knopf, aber je nach Bedorf in der Grundform belassen, wo größere Flächen sind, wie auf der Stirn oder auf den Wangenpartien; verkleinert, wo die Augen den Umriß von Knopfschachteln annehmen; tropfen- oder ellipsenähnlich, wenn Nischen oder Fältchen nachzubilden sind, wie an den Augen- oder Mundwinkeln oder um die Nasenflügel.


Von Rudolf Kassner, dem Kulturphilosophen und Essayisten aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts stammt die auf den ersten Blick sonderbar klingende Behauptung, das Inbild des modernen Menschen sei der Knopf. In manchen Religionsgemeinschaften gibt es noch heute ein Knopfverbot. Warum? Weil der Knopf ein Symbol des Austauschbaren ist. Man zieht sich Identitäten wie Kleider an, knöpft sie auf, streift sie ab, knöpft sie über und an. Anders als das Kleid aus einem Stück muß das geknöpfte nicht passen. Kann man die Knöpfe nicht nach Belieben versetzen? Außerdem, die Kleider mögen verrotten wie das Fleisch darunter, die Knöpfe sind wiederverwendbar. Unser fetischistisches Verhältnis zum Knopf als Sammelgegenstand, so versichert Kassner, entspricht dem unplastischen, flächigen Wesen, das wir angenommen haben; Symbol dafür, daß wir nicht Gestalten sind, sondern Bilder von Gestalten. Knöpft man uns auf, kommt ein neuer Rock zum Vorschein, auch geknöpft.


Bayrle hat auch Portraits aus Fotoapparaten, aus Kühlerhauben, Kreuzen oder Häuserblöcken gemacht. Er würde auch Kassners kulturkritischen Sarkasmus gegenüber seinem Mr. Button kaum teilen. Aber das Ausfüllen des alten Menschenbildes durch gleichförmige Zeichen, dieser Austausch der Naturgestalt durch ein Massenornament, darin kommen Kassners Knopf-Allegorie und Bayrles Portraits überein. Auch die Wiederverwertbarkeit der Knöpfe bei Kassner kehrt in Bayrles Vorliebe für das Recycling desselben Zeichens in den verschiedensten Zusammenhängen wieder. Wo unser romantisch voreingenommener Blick nach der Seele, dieser Signatur des individuell Unsterblichen, sucht, findet Bayrle Knopflöcher.


Seine Ikonen der Gegenwart sind aus deren typischen Elementen gebildet, keine Stelle an Gesicht oder Körper, die nicht einem derartigen Grundmodul folgen würde. Er produziert sie nach einem grafischen Schnittmuster, das die Segmentumrisse enthält. Das Modul wird dann jeweils durch‘ mechanische oder computergrafische Verformung angepaßt. So entsteht ein Bild nicht aus natürlich individuellen, sondern aus künstlich hergestellten logischen Zeichen: das Addieren und Multiplizieren einer einzigen Maßeinheit. Die Rationalität und Ökonomie dieses Verfahrens gleichen denen eines sich selbst fortzeugenden Computervirus, der nicht ruht, bis er den gesamten Rahmen des Systems ausgefüllt hat.


Neu ist übrigens nicht das Verfahren selbst, sondern seine Transparenz. So hat man feststellen -können, daß den ebenmäßigen Proportionen der Protrait-Büste Nofretetes (im 1350 vor Christus) als Maßeinheit die ägyptische Elle mit ihren 28 Unterteilungen in Fingerbreiten 0 1,875 cm entspricht. Der Mund ist genau 1, das rechte Ohr exakt 3 Fingerbreiten hoch. Eine fotogrammatisch angefertigte Vorderansicht, mit fingerbreiten Quadraten von der Basislinie an gerastert, läßt die Gültigkeit dieser Proportion als kanonische logik erkennen. - Für die mittelalterliche Ikonenmalerei sind ähnliche Verfahren lange bekannt., und daß in der asiatischen Bildniskunst die Reduktion auf derartig einfache Zeichen seit je eine große Rolle spielt, weiß man. - Aber bei diesen archaischen oder exotischen Beispielen sind die Raster am Ende gelöscht, während sie bei Bayrle als Gespinst oder Geflecht, als Tätowierung oder ornamentale Textur stehen bleiben und die Isometrie der Figur hervorkehren. So sieht man schließlich nicht nur ein Bild, sondern die logik des Bildermachens mitdargestellt.


Die Portraits von Bayrle stellen nicht irgendjemanden, sondern ihre eigene logik dar. Deshalb geben sie auch keine Individuen wieder, sondern einen Bildtypus, z. B. die Madonna als „MadonnaJaguar“ (Computer-Collage, 1988) oder „Madonna Cross“ (Collage 1988), „Jesus“ (Collage“ 1988) oder ,,canon meets Utamaro“ (Collage, 1988). Jesus und Maria sind keine beliebigen M“otive. Ist Blasphemie die Absicht? Diese läßt sich genauer erkennen, wenn man sich damit begnügt, lediglich buchstäblich zu nehmen, was man sieht: daß man die Religionsstifter und Heiligen nicht anschauen kann, ohne daß ihre Bilder von zahllosen Fotoapparaten gezeichnet wären; ohne ihre Ikonen von Gräberfeldern oder Schnellstraßen überlagert zu finden. Zwischen die Wahrheit und das Leben einerseits und den Betrachter andererseits schiebt sich immer dieser Raster, der alles nach seinem Maß definiert. Wie Nietzsche gesagt hat, die Wahrheit sei ein Heer von Metaphern, so ließe sich auch sagen, sie sei nie anders wahrnehmbar als durch die Schleier solcher Rasterungen. Sie bewirken, daß die großen Gestalten mit der Optik des Seriellen zerlegt und wieder zusammengesetzt werden. Wo die romantische Phantasie Individuen von historisch unverwechselbaren Konturen sah, kann man hier nur noch Massenphänomene ausmachen. Der Sinn für das Gleichartige in der Welt läßt die Götter nicht unverändert. Wir haben nur ein e Phantasie. So gleichen sich die Bilder von Gott und von den großen Städten an; von ihm und den Menschen. Wenn die Imagination sich den Menschen nur noch pluralisch, als ein Ornament mit unendlichem Rapport, vorstellen kann, so wird sie sich auch Gott nach diesem Muster bilden.


Bayrles Bilder nehmen das nicht immer nur gelassen. Gelegentlich überwiegt auch das Groteske: ein fernsehendes Paar im Bett, aus Segmenten zusammengesetzt und vor einer Tapete, die ihrerseits ein fernsehendes Paar im Bett zeigen, das seinerseits aus Segmenten zusammengesetzt und vor einer Tapete abgebildet ist, die ein Paar zeigen .. . In den Räumen dieser Bilder ist man an jeder Stelle zu Hause, weil dieselbe Grundeinheit immer wiederkehrt. So sind die Stadtbilder von Bayrle Labyrinthe, in denen das Gedächtnis keinen Anhaltspunkt findet, weil sich die Ordnung der Struktur auch noch den letzten Zwickel unterworfen hat. Das Gedächtnis ist aber auf Abweichungen angewiesen. Sie bringen auf diese Weise Verhältnisse zu Bewußtsein, die für Millionen schon Lebensalltag geworden sind.


Der Großraum Los Angeles setzt sich über viele Quadratkilometer aus regelmäßig geschnittenen Parzellen mit der gleichen Grundausstattung zusammen: ein Bungalow, eine Palme und ein Swimmingpool. Durch die offene Bungalowtür sieht man jeweils einen laufenden Fernseher, ‚der in gewissen Augenblicken auf dasselbe Bild in jeder Parzelle ruckt. Es ließe sich vorstellen, daß man in einem beliebigen Bungalow aufwacht, sich verläuft, in irgend einen anderen einkehrt und dort das anderswo begonnene Leben ohne nennenswerte Irritation weiterführt, sofern Tisch und Bett nicht gerade schon besetzt sind. Zeiten und Geschichten werden in derartigen Räumen weitgehend neutralisiert. Individualität wird zur Eitelkeit oder Marotte. Synchronie verknüpft das Gleichartige zu Netzen, die dem Raum eine uhrenlose Ordnung geben. Selbst die Wetter scheinen zum Erliegen gekommen zu sein.


Auf solche Wirklichkeit beziehen sich Bayrles Bilder in ihrer Tendenz, das Bildliche am Bild zurückbilden. Das einzelne Segment ist nicht als Abbild wichtig, sondern als Material für den Aufbau einer Struktur. Das Unbildlichwerden der Realität vollzieht er bei der künstlerischen Arbeit nach. Dabei ist vor allem ein Vorgang hervorzuheben, mit dem sich Bayrle beim Bilderrnachen in mimetischer Korrespondenz auf eine der dynamischsten Technologien unserer Zeit bezieht: Miniaturierung. - Die Parzellenrasterung in den großflächigen Städten des amerikanischen Westens oder die Container-Ökonomie japanischer Hotels verhält sich zu diesem Prozeß der Minimalisierung wie die mechanische zur Atom-Physik. Während sich in den Feuilletons noch die Jünger Gutenbergs mit den Enthusiasten der neueren Bildmedien balgen, ist die Computertechnik in einem Ausmaß und einer Geschwindigkeit expandiert, von denen Mc Luhan sich nichts träumen ließ. Die ComputerBilder sind aber nicht nachgeahmte Natur, sondern es sind Schriftbilder, die an die Natur allenfalls noch erinnern wie die fortgeschrittene phonetische Schrift an Hieroglyphen, die einst ihr Material waren.


In seinen Arbeiten mit dem Kopiergerät verfolgt Byrle bereits das Prinzip, Format und innere Struktur des späteren Bildes nach der kleinsten verwendeten Einheit zu bestimmen. Im Computer stoßen diese Intentionen auf keinerlei Schranken mehr. Die kleinste Maßeinheit läßt sich letztlich auf ein Zeichenprogramm ohne jede abbildende Qualität minimieren, zugleich aber als Quellpunkt eines Informationsstroms auffassen. - Vielleicht muß man sich klarmachen, daß dies die Voraussetzung der Bildung ausgedehnter Zellkolonien ist, die möglicherweise einmal an die Stelle unserer heutigen Städte treten werden. Denn wodurch deren Bildhaftigkeit heute bestimmt wird - sofern sie nicht bereits willkürlich eingepflanzt und aufgesetzt wird -, entfällt, wenn sich die Miniaturierung technisch und politisch durchsetzt: die Architektur der öffentlichen Dienstleistungen, wie Rathäuser, Bibliotheken, Post, Schulen und Universitäten; die Zentren urbanen Konsums, wie Kaufhäuser, Ladenstraßen und Restaurants; die Schlagadern, Ein- und Ausgangspunkte des öffentlichen Verkehrs, nämlich Bahnhöfe, Flughäfen, Schienenwege und Autobahnen. Denn wenn Dienstleistungen, Konsum und Verkehr, wie es sich derzeit bereits andeutet, über eine Grundeinheit von Manual, Bildschirm und Datenübermittier abgewickelt werden können, wird das urbane Zentrum überflüssig, hinfällig damit aber auch das Stadtbild in seiner überkommenen Anschaulichkeit. Die SurvivalEinheit läßt sich auf kleinstem Raum stationieren und mit einem Minimum von Energie betreiben. Die Bilder herkömmlicher Art könnten über kurz oder lang hinter dieser Mediatisierung der Welt zurückbleiben, von der es immer schon eine Ahnung, aber nocht nie solche Gewißheit gab, wie nach der Entdeckung der genetischen Codes, dieser Grundinformation, die dem Leben inwendig ist wie die kleinen Schriftzettelchen in dem Gebäck, das man in den Restaurants der Chinesen zum Schluß serviert bekommt, zugleich mit der Rechnung. Das ist natürlich die reine Ironie, diese eingebackene Schrift, die das Horoskop dessen enthält, der sie liest. Denn was man hier innen findet, ist eigentlich das Medium; das was zwischen Subjekt und Objekt liegt. Daß es in einer Hülle versteckt ist, soll sagen: Es gibt kein weiteres Innen. Das war‘s schon. Auch der genetische Code ist kein Abbild. Er ist Schrift an der Oberfläche und als solche die Sache selbst. Was ehedem für die Wahrheit galt, die in Bildern gezeigt werden sollte, hat sich restlos in das Medium aufgelöst, dessen Grundmodul gegen 0 tendiert.


Die Reduktion auf das kleinste Modul erlaubt es, bei größtmöglicher Ökonomie ein Maximum an Gestalten aus einer Abbreviatur zu gewinnen. Dabei läßt sich die Erfahrung machen, daß die Monotonie von deren Gleichförmigkeit; daß das Motorische, Mechanische und Wiederholte nicht nur Grauen und Langeweile bedeutet, wie die Schwärmer des Einmaligen und Authentischen behaupten, sondern auch die Lust der Entlastung von der organischen Natur mit all ihren Unberechenbarkeiten. - Jean Luc Godard hat vor kurzem einen Hobbyfotografen gezeigt, der mit gelassener Lust seine Bilder zu Filmen montiert, und dabei die Handgriffe, die er an seinem mechanisierten Arbeitsplatz in der Fabrik gezwungenermaßen ausführt, nach Feierabend freiwillig wiederholt. Die Bilder bedeuten als Abbilder von irgendetwas nichts weiter, aber das Ornament der einen vernünftigen Bewegung, nämlich als das Minimum einer Geschicklichkeit in endlosem Rapport.


Das gleichförmig wiederholte Segment ohne irgenwelche Erinnerung an einen früheren Bildsinn dessen, was jetzt lediglich Material ist, steht zum Bildumriß in einem Spannungsverhältnis; besonders drastisch in den Jesus- und Marienbildern, in milderer Form aber überall, wo Bayrle einen figuralen Umriß als Container für sein Rastermaterial benutzt. Faßt man die Tradition des Textes als Figur, bzw. der Visuellen Poesie ins Auge, so erweist sich vor diesem Hintergrund freilich das Personal der christlichen Religion als ein gattungsspezifisches Zitat. Von der heidnischen Antike bis in die konkrete Poesie der fünfziger Jahre reicht eine Geschichte des Textes als Bild, die einen Höhepunkt im mittelalterlichen carmen figurativum hatte, die Produktion des Geistlichen Liedes in der textgrafischen Gestalt des Kreuzes, etwa bei Hrbanus Maurus. Neben dem antiken Formtypus, der den poetischen Text einem Ei, Flügel oder Altar einbeschrieben zeigt; zu dessen Erweiterung durch Pyramide, Herz, Säule oder Sarg, Labyrinth oder Brunnen, tritt das Umrißgedicht christlicher Prägung mit „ecclesia“, Harfe, Leuchter und Kreuz, Rose und Palmbaum, dem Leib Christi oder dem Lamm.

Für unsere Zeit ist der Text als Figur von Laurence Sterne neubegründet worden (dem Kassner übrigens seine Knopf-Philosopie in den Mund legt), und sie reicht von da an über Lewis Carroll und Mallarme bis zu Franz Mon, Friedrich Achleitner und John Crombie. - Bayrle‘s Einschreibungen in die pathetischen Figuren benutzen keine Schrift, sondern stattdessen - wenn nicht moderne Embleme als Massen-Ornamente - minimalisierende Raster bis zu Punkt-Auflösung. Dergestalt verarmen die Bedeutungen, die der Inhalt des figuralen containers etwa im 17. Jahrhundert hatte, wenn der corpus Christi mit einem Psalm beschieben war. Der Punkt ist bedeutungslos geworden. Wie könnte seine Häufung mehr ergeben? In einem Selbstkommentar schreibt Thomas Bayrle in scharfer Pointierung der aggressiven Bedrohung, die von der universellen Austauschbarkeit und Instrumentalisierbarkeit der sinnleeren Zeichen-Heere ausgeht: „Ewig sich umwälzende Massen ein Rasterbrei, ferngesteuert, projiziert, von einem Klumpen zum andern.


Milliarden dieser Punkte werden täglich getrieben, belichtet, entwickelt, vergrößert, verkleinert. In Maschinen vom Laserstrahl abgetastet, abgefühlt, auf Lichtdurchlässigkeit geprüft. Eingeteilt in dick-schwarze und dünn-schwarze, in kleine und große, solche, die bleiben und solche, die verschwinden müssen. Sie verklumpen sich, addieren sich, wachsen, wuchern - vom winzigen Bestandteil einer Nase zum riesigen Punktekloß einer Supernase. Massen von eckigen Partikeln hämmern in Sexsymbolen, Schokoladerippen, Autounfällen, Hungersnöten. - Schlagen ein, durchsieben alles, durchlöchern, durchschießen, durchrasen die Bilder, laden jede friedliche Blumenwiese elektrisch auf. 24 36 56 84 Punkte pro crn“, immer dichter, immer konzentrierter ballen sie sich zusammen und bilden so das Plankton der Tageszeitungen.“ (Bayrle, 1980)


Die künstlerische Produktion, die angesichts solcher Beobachtungen entsteht, kann das Beobachtete nicht verdoppeln wollen. Degeneriert nicht aber der Künstler, ob er will oder nicht, zum verlängerten Arm der Maschine, mit der er aus eigenem Impuls und frei hervorzubringen meint, was ihm in Wahrheit die Apparatur diktiert? - Wie kaum ein anderer stellt Thomas Bayrle sichder Herausforderung durch diese Gefahr im Eingehen auf die neueste Technologie. Ob er sie meistert, läßt sich vielleicht nicht einzig mit Blick auf das Endprodukt, das fertig montierte Bild entscheiden. Ist nicht die Auseinandersetzung mit der Maschine selbst bereits ein ästhetisches Ereignis eigener Form, von dem das Bild am Ende nur noch schwer lesbare Spuren enthält? In welchem Verhältnis Technologie, künstlerische Intention und Zufall zur Geltung kamen, ist dann nicht mehr auszumachen, ist aber doch für die Möglichkeit einer ästhetischen Aneignung des neuen technischen Apparats ausschlaggebend.


Jedes der Bildsegmente wird ja einzeln produziert, sei es durch das Gummibelichtungs- und Druckverfahren, sei es bei der Arbeit mit dem Computer. In diesem Prozeß wird nicht bloß eine zuvor gezeichnete Form in Stufen dekomponiert, umdefiniert und neu zusammengesetzt. Die tausendfach gleichen Bewegungsabläufe des Kopierens, Schneidens, Klebens usw. übertragen diesen Prozeß auch auf den Körper, der für die Dauer der Produktion zu dem wird, was er herstellt: Umriß einer Figur, auf deren Oberfläche sich die Monotonie der immergleichen Aktion ausbreitet, aber nicht in einem Kontinuum, sondern durch lauter kleine Zäsuren unterbrochen. Das zusammengefügte Bild läßt später allenfalls noch die Schnittlinien erkennen, deren jeder aber eine Gebärde in der Choreographie des seriellen Produzierens entspricht: die Bewegungen Chaplins vor den Apparaten in seinen früheren Filmen.


Noch einmal könnte eine Selbstinterpretation Thomas Bayrle‘s erläutern, wovon hier die Rede ist. Darin spricht er von den „maschinenhafen Bewegungsteilen des Break-dance“, dessen kollektive Form heftigste Energieentladungen in Sekundenbruchteilen wie „isolierte Fertigteile“ enthält, ein, „Energie-Zaun von herrlicher Monotonie“.


Künstlerische Produktion nach diesem Vorbild, aber mit geringerer Flüchtigkeit ihrer Erzeugnisse ist ein riskanter Balance-Versuch. Immer droht der freiwilJigen Mimikry an den Apparat die Versklavung. Was eben noch Genuß seiner Rationalität und Entlastung von den Unzulänglichkeiten der eigenen Natur bereitet hat, kann im nächsten Augenblick die Selbstpreisgabe an ihre perfekte Beliebigkeit bedeuten. Aber das Unternehmen läßt sich nicht abbrechen, so wenig wie die Technik selbst.


Gert Mattenklott

 

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Blicke ins Arsenal und über die Schulter: das Arsenal ist verzweigt, und der Schultern sind oft mehrere. Thomas Bayrle hat nicht nur eine in ihrer Variabilität tragfähige und übertrcqbare persönliche Formel gefunden für Masse als Summe von Einzelnen, die, als Massenteile austauschbar, ihre Individualitäten einander und dem Ganzen angleichen und letztlich Wiederholungen von dessen Grundbedingung sind - wechselnde Perspektive des Blicks aufs Ganze und ins Detail der Zellenhängung darin -, seine Arbeit selbst vielmehr hat Kompositionscharakter auch in ihrem Verlauf: unterschiedliche Stationen des Tuns, unterschiedliche Prozeduren des Machens, unterschiedliche Orte der Fertigung, und nicht nur die Familie geht zur Hand, wo mehrere Hände nötig sind, sondern der Sachverstand des Mathematikers etwa wird in Anspruch genommen, wenn die Gesetzmäßigkeit von Verzerrungsgraden zu ermitteln ist, die des Filmers, wenn es darum geht, über das Material für die Phasenschritte der Animation verfügen zu können. Delegation und Kooperation und die Inanspruchnahme geeigneter Orte und Geräte zur Fertigung; ein synthetisches Tun, schon darin ein charakteristisch charakterisierender Ausdruck unserer Zeit: Kunst aus dem scheinbar Künstlichen, Lebendigkeit in vermeintlich regel haften Festgelegtheiten; das, über das derart verfügt wird, in aller Eingefügtheit virulent. Die Räume, in denen so das Werk entsteht, ergäben dem Auge, träten nicht die hohen Bauten dieser Stadt Frankfurt dazwischen, eine eigene, weitgestreute Geographie, eine urbane wie eine persönlich-biographische: Dunkelkammer, Ablichtungsgerät, Computer, durch Beauftragung in Anspruch genommen die eine, stundenweise gemietet das andere, der dritte in Zeiten der Arbeitsruhe zur Verfügung gestellt, machen den Schaffensort des Künstlers, den der Entstehung seines Werkes, gewissermaßen zu einer mobilen Werkstatt mit intermittierenden, nach Bedarf wechselnden Einsätzen. Der unabdingbare Halt ist der des Konzepts für Bild und Bildreihe, und das eigentliche Atelier in der Städelschule ist eher ein Denkraum und als solcher die Zentrale des Schaltens und Waltens: nicht groß, geordnet, stets einige der komplexen Resultate bewahrend; der Tisch mit Papieren bedeckt wie der Planungstisch eines Strategen, mit Reproduktionen und Copien, Durchzeichnungen, Notizen und Berechnungen, Zeichen-, Schreib- und Schneidegerät, Stempeln und Klischees und einer Wand dahinter, die wie der Blick durchs Fenster die Gedanken konzentrierend kreisen lassen mag zwischen wirklicher und artifizieller Welt, und dazu Zeugnisse bildnerischen Denkens in unterschiedlichen Stadien der Verwirklichung.


Hier wird das Bild gewählt, hier fallen die Entscheidungen zu seiner Auflösung wie zu seiner neuerlichen Synthese, hier findet sich die Vorlage mit ihren klassisch gleitenden Körper- und RaumübergaÅNngen bedachtsam parzelliert in Flächenkörper, die in nunmehr festgelegter Umrißlinie aneinanderstoßen: fremdartig transparente Netze über vertrauter Physiognomie. Sie liegen dann dem Schnittplan zugrunde, dessen Einzelflächerr in sorgfältiger Numerierung ihrer nachbarschaftlichen Abfolge ausgeschnitten werden, um ihrerseits dem Bild, das jede von ihnen im Kleinen als Ganzes füllen soll, das Maß zu geben. Dieses kleine Bild selbst ist auf feinstes, fast transparentes Gummi gedruckt worden und dehnt sich somit nun im behutsam geschickten Zug der Hände, bis es mit der Schnittschablone deckungsgleich ist, um dann in dieser jeweils veränderten Form neu photographiert oder abgelichtet zu werden. In jüngerer Zeit sind auch die Möglichkeiten des Computers einbezogen.


Die Verrenkungen des einzelnen Kleinbildes lassen sich berechnen, wenn man die wie auch immer geartete Fläche, die jeweils erforderlich ist, als Viereck definieren kann. Seinerseits wiederum ausgeschnitten, wird das entstandene Kompartiment, entsprechend der Parzellenzeichnung des Anfangs, bündig neben seine im Umriß oft so unterschiedlichen Nachbarn geklebt und ergibt zusammen mit ihnen nahtlos die Einheit, die das Ausgangsbild hatte, eine gewissermaßen verschleierte oder vergatterte freilich, weil die ursprüngliche Physiognomie, ihre Natur auch im Detail nicht verleugnend, nunmehr sich hervorhebt aus Detailstrukturen einer ganz anders gearteten Inhaltlichkeit. Die Dialektik hier also nicht nur die zwischen Groß und Klein, dem Ganzen und seinen Zellen, sondern, viel mehr noch, eine solche von zwei Welten, die sich durchdringen und von denen wechselseitig die eine der anderen Maß und Gewicht gibt.


Makro- und Mikrokosmos, eine Synthese, die wirklich synthetisch ist. Nicht nur Photographie statt Zeichnung, Collage statt Farbauftrag. Stempelung statt Pinselzug: alles Zusammenfügen geschieht ja nach Plan wie das Wachstum auch . Und dies letztere vollzieht sich hier in der Produktion eines großen Körpers aus der reproduzierenden Vermehrung der Zellen, die ihn bilden, mögen sie im Kleinen mit ihm identisch sein, mögen sie ihre Andersartigkeit nur als Baumaterial ins Ganze einbringen, mag es sich artikulieren in Aberrationen, denen folgend der betrachtende Blick erst das Innenleben erschließt, welches, kaum nach außen dringend, doch letztlich die Physiognomie formt. Zeichenhaftigkeit aber durchaus auch zeichnend sichtbar gemacht oder malend oder davor im Bau von Straßen- und Häusermodellen mit winzigen Autos, in spielerischer Zusammensicht, der des ersten Spiels eines Simulators, das, mit allen Mitteln der Photomontage ausgewertet, in wuchernder Verdichtung die chaotische Komponente des Wachstums vom Kleinen und Großen darstellt: Städtebau und Baumwuchs, Verkehrsdichte, die Fluktuation der Menschen als Menge, und in Rasterfahndung per Zoom-Effekt die moderne Metamorphose: ein Punkt, holt man ihn heran, kann Eines sein, und holt man ihn erneut, ein Anderes.


Der Wechselbezug von Zellenwuchs und Gesamtkörper, dem Ganzen und seinen Bauelementen gibt dem Werk von Thomas Bayrle die Motivation; er hat es in konsequenten Gängen zu Reichweite und Vielfalt entwickelt. Dabei hat sich der Aufwand nach innen gekehrt. Den großen Bildern aus der Mitte der sechziger Jahre war es noch gegeben, das eine Große, das sich aus der Vielheit des Kleinen bildete, durch mechanische Bewegung zu verändern: Reihen menschlicher Halbfiguren, die alternierend hintereinander wegtauchten und sich hoben, ließen etwa Mao sich in einen roten Stern verwandeln und zurück - Ideologie als Masseninszenierung wie auf großem Platz-, aber auch einen Rasierenden bloß vor dem Peigel sich wenden, auch er Masse aus Masse. Die daraus in den Folgejahren sich entwickelnden Bilder und Graphiken wandelten das kinetische Prinzip in faktische Starre, ohne daß diese der inneren Bewegtheit entbehrt hätte. Konsequentes Denken ist nicht einfach linear, sondern greift so vor wie zurück im Ausschreiten der Möglichkeiten aufs Systematische hin, und wenn es, wie in der Kunst wohl eigentlich unerläßlich, dies in der Freiheit des Evoziertseins tut, des Verspürens von Berührung im Augenblick, so rundet es eher ab und wertet aus, als daß es den Keil vortriebe: Bewegung im Sinne von Wachstum und Fruchtbarkeit geschieht allseitig, und die einzelnen Schößlinge mögen sich unterschiedlich schnell aneinander vorbeischieben; Blüte, Reife, Ernte: in all seiner Folgerichtigkeit ein gleitendes Programm.


Der eine Weg, der sich in den späteren sechziger Jähren ergab, war der, aus dem Raster der gleichmäßigen Reihung eines unverändert sich wiederholenden Gegenstandes, eine von ihm unterschiedene Großfigur, die zu ihm in einem inneren Verhältnis stehen mochte, durch bloßen Farbwechsel hervortreten zu lassen, das Baby etwa aus „la vache qui rit“ oder die Kaffee trinkende Frau aus den Tassen mit Milchkaffee. Der andere ließ den beherrschenden Gegenstand, quasi als gezogene Summe, methodisch entsprechend aus der größeren Zahl mit ihm identischer kleiner Gegenstände sich ergeben: „Glücksklee Milch“ derart eine Präsentation auf zwei Ebenen. Aus der Starre lösten sich dann die zentralen Gestalten als die Reihungen der Kleinform, in Kurven an- und abschwellend, deren Körper, entsprechend ihren Volumen zu modellieren begannen, vor gleichmäßig gefülltem oder leerem Hintergrund; in der Simulation einer quasi persönlicheren Anwesenheit nahm das Motiv seine Rechte in Anspruch, und das auch mit verändertem innerem Gewicht: in den erotischen Bildern 1970 wird so das vielleicht individuelle Erlebnis, das in gleichmäßiger Rasterung nur ein mechanisches war, im Vor- und Zurückweichen des Linienflusses auf das allgemeine hin relativiert, aber dieses gewinnt so eine allgemeinverbindliche Macht. Dieser Linienfluß, er erlangte in den siebziger Jahren die beherrschende Kraft: Was sich nur schwellend gereit hctte,: ließ nun die an sich starren Linien von Börsentabelle, Notenblatt und Bürohausfassade sich krüm: men auf Körperhaltung hin und auf Physiognomie, die bis zur Protraitähnlichkeit der aus ihrer Notation sich hervorhebenden Komponisten führte. Und eben dazu waren die Autobahn-, Städteund Menschenmengenbilder, von denen schon die Rede gewesen ist, ein zeitweiliges Beiprogramm, das freieste bisher, ein im bis dahin gültigen Sinne eher gestörtes Geflechtsystem: unterschiedliche Verdichtung und freigewählte Wiederholung durch überlagernde Multiplikation in die Fläche hinein und Anstückung längs ihrer Schienen. Das Monument ihrer räumlichen Ordnung – zwar aperspektivisch, aber isometrisch - ließ im Wendewechsel der Fluchtlinien in jüngster Zeit auch die optische Täuschung Einlaß finden, um so nachdrücklicher, wenn, wie in den Würfelbildern von 1987, das an sich schon irritierende Prinzip der innerkörperlichen Parallelität konterkariert wird von einem im Winkel identischen Richtungsverlauf im Hintergrund, der aber statt Nähe und Ferne Größe und Kleinheit gleichwertig in der Fläche sich manifestieren läßt, additiv per Stempeldruck, in großer Wiederholung identisch, aber variabel in sich.


In den letzten Jahren dann die Parzellierung vorgegebener und gewählter Bildkörper und die Ausfüllung von deren Parzellen mit einem für sie alle identischen Bild, das, wie eingangs beschrieben, der jeweiligen Fläche durch Verziehung angepaßt ist; größere und kleinere Nachbarn, Reihungen ihr Abbruch oder ihre Durchkreuzung machen die formale Gespanntheit des Urbilds bewußter als dessen eigene Ansicht, die durch Gewöhnung erlebnismäßig reduziert sein mag: der gewohnte Fluß der Linien legt, nunmehr betont, die Grenzen der Energiefelder dar, welche die einzelnen Zellen in unterschiedlicher Dichte sind, jeder Umriß ist in seiner Bedeutung gesteigert, zumal das, was im Urbild durch inhaltliche Verschiedenheit unterschiedliche Aufmerksamkeit beanspruchte, sich sowohl ausdrucksmäßig wie in den Valeurs gleichgeschaltet findet. Jede Verzerrung der Kleinform aber denn auch, läßt die einzelne Korpuskel als eine körperhafte Ganzheit sich zur Geltung bringen, jedes Detail des Ganzen betont somit sein Eigengewicht nicht weniger als seine Bindung; und die Summe der Bewegungsrichtungen, in die die jeweilige Verformung die Kleinbilder drängt, steigert im Hin und Wider die Bewegtheit des Ganzen zu prononcierterer Kraft. Alle Artikulation ist Rhythmus und Intervall; verzerrter Rhythmus macht, im Bewußtsein vom Elementcharakter der Einzelschritte, wandlungsfähig gerade aus dem jeweiligen System und seiner Gebundenheit heraus: ein Reichtum nach innen, im Grunde unerschöpflich, weil genügsam.


In den sehr großen Bildern um 1983, „Capsel“ zum Beispiel und „Flugzeug“, ist eine linearzeichnung das sich reihende Element des ganzen Aufbaus, und dieser ergibt sich daraus als deren äußerste Vergrößerung; beim Flugzeug gar ist die Mikrostruktur ins nochmal vergleichbar kleinere gewendet, beziehungsweise das ganze Bild baut sich in den Einzelteilen so geordnet auf wie im Großen, und was verzerrt ist nur einer Detailform willen, verengt und weitet den Gesamtzusammenhang für sich im kleinen . Danach tritt die Photographie in diese Rechte ein, mit ihrer Tonwertigkeit, die durch den Raster von Klischee oder Computerausdruck sonor gestimmt ist. Und was im Frühwerk noch als spielerisch empfunden werden konnte, die Diskrepanz nämlich zwischen dem Bildinhalt und dem Inhalt der Elemente, spielt sich jetzt geradezu dialektisch aus. Landschaft, die sich auf diese Weise innerhalb eines klassischen Kopfes und seiner Umgebung groß und klein in wechselnder Verzerrung wiederholt, verliert, mag sie auch allgegenwärtig sein, ihre topographische Verbindlichkeit, und selbst ihre Farbigkeit, wenn sie in mehrfarbiger Ablichtung überkommt, verfremdet sich im Wirbel der disparaten Gewichte. Mehr denn aber das, was vergänglich ist, bestes Styling, aber eben doch nur das seiner Zeit, das sich mißt und messen lassen muß an Zeitlosem. Die Canon-Kamera von heute beispielsweise an den Holzschnitten von Utamaro und Sharaku, deren Paraphrasen sie anfüllt, Utensil unbestechlichen Sehens als Binnenstruktur von Bildern, unbestechlich schauender Beobachter des Menschlichen, das durch deren Schau und Fixierung zeitlos verewigt ist. Bei den Madonnen der Frühzeit, Ikonen und italienischen Gold- grundbildern, bringen Automobile der Marken Jaguar und Mercedes das unterschiedliche Zeitmaß noch unmittelbarer zum Klingen: Bilder einer vollkommenen Ruhe und Sammlung und Stille bauen sich nunmehr auf aus zwar nicht weniger mit Glanz behcfteten - Vermittlern von Geschwindigkeit, Hast und Geräusch, und gerade das ist nicht von ungefähr, sind doch diese aufwendigen Gefährte die Idole einer zeitgemäßen, säkularisierten Devotion. Die dichte Kreuzstruktur eines Gräberfelds bildet dazu allenfalls einen unvermutet nachdenklich machenden Kontrapunkt. Am radikalsten mag nun aber hier der Jesus von 1988 sein, Synthese der Malerei in der hohen Zeit der abendländischen Emanzipation vom bloß Ikonenhaften bei Cimabue, dessen kleinteilig irisierendes Schuppenkleid in Bayrles Paraphrase die Situation des Aneinandervorbeirasens auf einer Autobahn in unerschöpflicher Wiederholung auf den Körper des gekreuzigt Hängenden übertraÅNgt: endloses Quälen, könnte man sagen, aber auch menschliche Ruhe, die alle Hast übergreift; Zeitlichkeit, auf den Augenblick gebracht, und Ewigkeit, die dieser nicht aus dem Gleichgewicht bringen könnte, sehen einander an und fassen sich; das Unvergängliche bleibt im Wandel des Teilgebundenen gleich.


Bleibt zu berichten von einem Film, der im Entstehen ist und Transistorisches, das sich in die Bilder eingebracht hat, in wirklicher Bewegtheit vermitteln will. Und auch hier ist der Ansatz ein dialektischer: Ein Sprecher, vergleichbar dem Nachrichtenvermittler im Fernsehen, bewegt sich unwillkürlich, wie dieser es tut, und entsprechend verschieben sich die linien seines Gesichts und die Grenzen von dessen Flächen. In diese letzteren aber sind unterschiedliche Situationen des Verkehrs auf einer Autobahn eingesetzt, simultane Abläufe, die denn auch von Moment zu Moment in den einzelnen Flächen des Gesichts als parallele Aktionen ablaufen: die Bewegung des Referierenden erfüllt von der Bewegtheit dessen, was er referiert. Ein kompliziert planmäßiges Unterfangen: die Abstimmung des Films des sprechenden mit den Filmen der Verkehrssituation in allen Phasenschritten des kleingeteilten Ablaufs; Collage Schritt für Schritt, jede der Einstellungen, in bloßer Ablichtung noch starr als Einzelbild, im Computerausdruck verbunden und nuancierter gleitend: Erlebnisfilm in dem Kopf, der das Erlebnis vermittelt.


Das bewegte Bild des Sprechers in diesem Film ist ein Selbstbildnis: Thomas Bayrle hat den Pa‘rt, den er bearbeiten wollte, persönlich übernommen, und das ist schlüssig. Das ganze Werkprogramm über die Jahre hin ist das eines Diskurses über die Identität, und in ihn ist er selbst ohnehin, wenn er all dies ins Bild setzt, eingespannt. Aber es betrifft nicht nur ihn, sondern - in dem Maße, alle. Wenn denn wir es sind, um die es geht, wenn wir in Zuständigkeit und Verantwortlichkeit so gebunden sind wie in Erfaßtheit und Einbezogenheit - so aktiv also wie passiv -, dann stehen wir vor seinen Bildern in einer bedenkenswerten, nachdenklich machenden Ambi- . valenz. Was ist Identität, was ist Verschiedenheit? Wie verschieden sind wir von uns selbst, wie gleich können wir uns - jeder dem eigenen Bild von sich - wirklich sein, und was, wenn wir es sind, tragen wir mit uns an Anderem, und wie ist alles von Augenblick zu Augenblick anders, wenn es sich gleich bleibt?


Franz Joseph van der Grinten

 

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