Parallel zu WIEN 1450 - Der Meister von Schloss Lichtenstein und seine Zeit eröffnet im Schaudepot Schatzhaus Mittelalter eine Intervention des in Wien lebenden Künstlers Christian Mayer. Bereits seit 2007 werden nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, mit speziell entwickelten ortsspezifischen Arbeiten auf die Sammlung des Museums sowie auf die Architektur und die Geschichte des Hauses einzugehen. Im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen zu WIEN 1450 wurden aus dem neben der Orangerie gelegenen ehemaligen Prunkstall des Prinzen Eugen, der ursprünglich dessen Leibpferde beherbergte und vor einigen Jahren zu einem modernen Schaudepot für rund 150 Objekte sakraler mittelalterlicher Kunst umgestaltet wurde, einige der Tafelbilder entfernt. Die dadurch entstandenen Lücken in der Präsentation wurden zum Anlass genommen, einen Künstler einzuladen, sich mit dem Ort und seinen Exponaten auseinanderzusetzen, die temporären Veränderungen produktiv zu nützen und um neue Perspektiven zu erweitern.
Musis et Mulis den Musen und den Maultieren: Mit dieser ironischen Bezeichnung kommentierten Berliner Bürger Anfang des 18. Jahrhunderts die Tatsache, dass Kurfürst Friedrich III. im Obergeschoß des königlichen Marstalls die Akademie der Künste einrichten ließ. Indem Christian Mayer dieses Motto aufnimmt, verweist er auf die verschiedenen Nutzungen des Prunkstalls im Verlauf der Zeit, vom Marstall des Prinzen Eugen bis zum Ausstellungsraum bildender Kunst. Seine mehrteilige Installation verschränkt die Zeitschichtungen des barocken Raumes und der mittelalterlichen Exponate und thematisiert Prozesse kultureller Aneignung und Musealisierung wie auch die (Un-)Möglichkeiten der Bewahrung, der authentischen Rekonstruktion oder der symbolischen Aktualisierung. Gezielt greift Christian Mayer in die dichte Präsentation sakraler Bilder ein: So bringt er Stützkonstruktionen aus Holz oder Leinwand zum Vorschein, die auf den Ursprung der Tafeln als beidseitig bemalte Altarflügel hindeuten, die anlässlich ihrer musealen Präsentation um 1900 gespalten wurden. Zudem transferiert Mayer Holzpfähle, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts als unterirdische Stützen des Berliner Stadtschlosses eingesetzt wurden, in Form eines skulpturalen Ensembles von ihrem ursprünglichen Stütz- in einen Kunstkontext. Symbolische und materielle Transformationen visualisiert er schließlich auch in einer Videoarbeit, die gemeinsam mit den anderen Teilen der Installation eine räumliche Erzählung rund um Konservierung und Beschützung, den Kampf gegen den Zerfall, Entwesung und Verwesung sowie die Vergänglichkeit durch die Zeit bildet.
Christian Mayers Eingriff in die bestehende Präsentation wie auch seine installativen Erweiterungen zeugen von dem Potenzial, das in der Konfrontation alter und zeitgenössischer Kunst liegt. Seine Installation vereint in bester Weise Recherche, Reflexion und Inspiration und eröffnet uns neue Perspektiven auf die Geschichte der Räume und der Sammlung wie auch auf Effekte der Musealisierung an sich.
Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere
"In seiner rechercheorientierten künstlerischen Praxis beschäftigt sich Christian Mayer oftmals mit Prozessen der Historisierung und ihrer Bedeutung in der Gegenwart. Für den gegebenen Kontext des Prunkstalls hat er eine Installation entwickelt, die bislang unbeleuchtete Aspekte des Raumes und der in ihm gezeigten Exponate sichtbar macht und gleichzeitig um neue Bedeutungsebenen anreichert. Dabei reflektiert er zufällige wie auch beabsichtigte Transformationen von Materialitäten über die Zeit, in denen sich durchaus widersprüchliche Motive und Interessen spiegeln: von der kulturellen und physischen Aneignung durch das Museum über die Sehnsucht nach authentischer Rekonstruktion hin zum Eigensinn der Dinge."
Luisa Ziaja, Kuratorin der Intervention