Marzena Nowak schafft mit subtilen Strukturen einprägsame Arbeiten, die sich dem Sinnlichen und Sensitiven konzeptuell nähern. Dies zeigt sich sowohl in den minutiösen Geometrien ihrer neuen Malereien, als auch in den sparsam repetitiven Gesten ihrer körperbezogenen Videos und in der reduktiven Verfremdung des Realen in ihren Objekten und Installationen. Die Künstlerin abstrahiert und minimiert, sie wendet sich den Zwischen- und Leeräumen zu, um das Unsichtbare, Lautlose und Flüchtige zur Darstellung zu bringen. Das Grenzgängerische zwischen den künstlerischen Medien verbindet sich dabei mit einer Gratwanderung zwischen dem psychisch Ephemeren und dem physisch Konkreten.
Mit Hilfe ihres eigenen Körpers, den sie in ihren Videos fragmenthaft einsetzt, verweist Marzena Nowak in sensiblen Gesten der Wiederholung auf das Beziehungsgeflecht konträrer mentaler und körperlicher Zustände und Erfahrungen, wie Zärtlichkeit und Schmerz, Nähe und Distanz, Verinnerlichung und Entäußerung. Erinnerungen an monotone Alltagserfahrungen der Kindheit schwingen dabei nach und spielen auf Zusammenhänge zwischen persönlichem Erleben und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an. In ihrem neuen Video vermittelt das geloopte Bild einer erschlaffenden und immer wieder jäh auffahrenden Hand das Wechselspiel zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen der Selbstvergessenheit des Schlafes und der wachen Selbstkontrolle. Als ob die Hand einer Choreografie folgen würde, in der das Versinken in innere Abschottung und der konträre Versuch, in der Außenrealität Halt zu finden, unaufhörlich ineinander gleiten. Das Changieren menschlicher Sensitivität und Emotionalität zwischen Bewusstem und Unbewusstem, zwischen Emphatie und Kontrollverlust findet hier ein einprägsames Sinnbild, das in seiner Anspielung auf den Wechsel von Tag und Nacht zugleich das Vergehen der Zeit thematisiert.
Die Doppelbödigkeit des Gefühlshaften spürt Marzena Nowak in alltagsgeschichtlichen und soziokulturellen Bezügen auch auf, wenn sie den Eingangsraum der Galerie durch einen Teppich und eine umlaufende Wandleiste in ein scheinbar häuslich intimes Ambiente verwandelt. Doch dieser Teppich ist bloßes Fragment, seine Form beschreibt den Raum zwischen zwei Sofas, sodass seine Präsenz an die Abwesenheit von Mobiliar und Wohnlichkeit erinnert. Und die umlaufende Holzleiste entpuppt sich bei genauerer Überlegung als ein Requisit, das die Wände vor menschlichen Spuren schützen soll und damit eine körperabweisende Funktion besitzt. Dieser Raum suggeriert also eine Wohnlichkeit, die zugleich gebrochen erscheint und Reflexionen über verinnerlichte Raum-und Körperwahrnehmungen auszulösen vermag.
Die Visualisierung von Emotionen und jene der Zeit gehen in einigen Arbeiten Hand in Hand. Deutlich wird dies auch in jenen neuen Bildern, die aus präzise gemalten, bunten geometrischen Strukturen bestehen und an die repetitiv-ornamentalen Muster von Teppichen denken lassen. Nicht zufällig findet diese Malerei auf einem zeichnerisch vorstrukturierten Feld statt und bezeichnenderweise bestimmt die Künstlerin den Gestus der Wiederholung als ihr malerisches Konzept, das jedoch in dynamisch pulsierende und räumlich irritierende Farbgespinste mündet. Feld für Feld, nach und nach gemalt, erscheint jedes dieser Bilder wie ein Puzzle der Zeit mit Verdichtungen und Leerstellen. Die Farbe als emotionaler Ausdrucksträger unterliegt hier einer systematischen Abstraktion, die aber dem Zufall und dem Unvorhersehbaren Raum lässt. So hält Marzena Nowak das Spiel mit der Psyche und dem Unbewussten bewusst offen.
Rainer Fuchs