Galerie Mezzanin

En simultané

(Sibylle Omlin, 2015)

 

Zum Anlass der Ausstellung “en simultané” der Galerie Mezzanin in Genf werden zwei Deutschschweizer Künstlerinnen zum ersten Mal in der Romandie vorgestellt. Die zwei Frauen leben in Wien; sie sind seit ihrer Ausbildung in der österreichischen Hauptstadt wohnhaft und haben sich einen Platz in der Kunstszeneszene in Wien erarbeitet. Sie  profitieren von Wiens kulturellem Leben, das zwischen Barock, Expressionismus und Konzeptkunst schwankt.

Die zwei Künstlerinnen widmen ihr Werk einer Form von malerischem und zeichnerischem Konzept, die von einer tiefgreifenden Überlegung zum Wesen des Bildes geprägt ist. Die charakteristischen malerischen Techniken ihrer Werke sind das Ergebnis eines ununterbrochenen Arbeitsprozesses, der über einen langen Zeitraum hinweg dauert, und indirekter malerischer Prozeduren, die oft von unerwarteten Zufällen beeinflusst sind.

Die Gemälde von Christina Zurfluh (in Zug, Schweiz, geboren) beziehen sich auf die
amerikanische abstrakte Kunst, jedoch unterscheiden sie sich gegenüber der einfarbigen Flächen, den in Streifen angeordneten und in Farbschichten überlagerten coulour fields in freierer Weise. Zurfluh stellt eine Serie namens Quart (2014) vor. Diese ist durch abstrakte Flächen markiert, die waagrecht in zwei verschieden gefärbte Abschnitte geteilt sind. Die so getrennte Farben lassen an die knalligen Farbtöne der Pop Art erinnern, oder auch an die Kunst des Amerikaner Christopher Wool. Ein Farbschleier – hergestellt durch mehrere Schichten, die auf getrennten Trägern geronnen sind und später nach der Trocknung als letzte Schicht auf das Format gebracht werden - überdeckt das Bild und teilt es in verschiedene Felder. Die geometrische Ordnung auf der Leinwand entstehen durch Aneinanderreihungen, sowie innerhalb dieser durch Überlagerung der Schichten. „Dennoch, getrennt gesehen, kann die oberste Schicht als konkrete Kunst interpretiert werden, bevor sie im nächsten Moment sofort unter den anderen Schichten verschwindet. Dies führt zu einem neuen Verständnis des monochromen Bildes, welches ihm plötzlich, in diesem komplizierten Netz, eine Bedeutung verleiht, die man nur mit dem Begriff Reduktion beschreiben könnte“, stellt Martin Prinzhorn fest. Bei Christina Zurfluh ist die Herangehensweise an die Malerei durch ein intensives Spiel zwischen den Farben, schwarzen Fußspuren und weißen Farbsprenkel geprägt, die sie mit Leichtigkeit auf die Leinwand aufbringt. Oft sind die Unvollkommenheiten oder „Fehler“ Ausdruck von gewollten Störungen auf der Oberfläche der Bilder. Die Werkserie Divided (2012/13), bestehend aus vertikalen color fields, geschaffen für eine Ausstellung im Strabag Kunstforum in Wien, erinnern wegen ihrem zentralen andersfarbigen Zip  an die  Kompositionen von Barnett Newman. Das offene Konzept der Malerei, das Christina Zurfluh einsetzt, und ihr taktiles Verhältnis zum Material lässt die klassischen Grenzen zwischen der geometrischen Zusammensetzung und der zufälligen Geste natürlich verschwinden.


Maureen Kaegi (geboren in New Plymouth NZ, lebt in Wien) beschäftigt sich in einer Form von konzeptioneller Zeichnung und Photographie mit der Zeit und den Ereignissen, die sich in einem Bild verbergen. Auch ihre Bildfindungen sind langsamen Produktionszyklen in Serie oder dem technischen Zufall oder nicht erwarteten Fehlern unterworfen. In ihrem zeichnerischen Werk dreht sich alles um die Einschreibung des Zeichenmaterials (Kugelschreiber, Bleistift, Filzstift) auf das Papier, meist in Formaten zwischen A1 und A0. In der Photographie lotet sie optische Darstellungsphänomene von eng geführten Linien in der digitalen Photographie aus, die eigentlich zu technischen Fehlern führen, aber als ästhetische Momente fixiert werden.
Maureen Kaegis zeichnerische Arbeit – das Zentrum in ihrem bisherigen Werk – ist markiert von einer minutiösen Aufmerksamkeit für die feinen Linien, die sie mit Hilfe eines Lineals horizontal über das ganze Papierformat führt ; von oben nach unten, mit den leichten Verschiebungen, welche die Zeit der Ausführung mit sich bringt. Ab und zu wählt sich auch zentrale Punkte im Format, von denen ausgehend sie die Linien kreisförmig führt. Diese Linien berühren sich, überlappen sich leicht und erzeugen so das für Mauren Kaegis Zeichnungen typische Moirée und eine flirrende Opazität der Farbe.
Mit diesen langsamen Einschreibungen, ähnlich dem Hin und Her von Tintenstrahldruckern, hinterlässt die Künstlerin auf dem Papier nicht nur gezeichnete Linien, sondern auch Kratzer, Verletzungen des Papiers, Farbfehler, Unreinheiten, da auch Staub seine Spuren beim Arbeitsprozess hinterlässt.
Der Einschreibeprozess geht gegen den natürlichen Drall der Bewegungen des Körpers, gegen die Bewegung des Armes, der Hand, die zeichnet. Maureen Kaegi sieht diesen körperlichen Teil des Zeichnens als performatives Ereignis, genährt von Gesten aus dem zeitgenössischen Tanz, die oft auch gegen vertraute, alltägliche Körperbewegungen agieren. Diese verdichteten Zeichenbewegungen und Farbüberlagerungen zeigen einen meditativen Aspekt von Maureen Kaegis Werk, der sich auch beim Betrachten offenbart. Um dem fast sakralisierenden Moment dieser Kontemplation zu entgegnen, wählt Maureen Kaegi ab und an eine Form der Accrochage, indem sie die gerahmten Zeichnungen einfach auf den Boden stellt oder sie sich gegenseitig überlappen lässt.
So werden bei beiden Künstlerinnen Elemente des Schichtens, Verdichtens, Überlappens changierende Erfahrungen von Material und Zeit. En simultané.

Sibylle Omlin