Die Kunst von Peter Kogler lässt sich vor allem als Antwort auf die Frage verstehen, wie die Unendlichkeit in einem endlichen Kunstraum repräsentiert werden kann. Es handelt sich dabei um eine durchaus traditionelle Frage, die sich jede Künstlergeneration unweigerlich stellt und zu beantworten versucht. Zugleich sind aber sowohl unser Verständnis der Unendlichkeit als auch die Beschaffenheit der Kunsträume, die den Künstlern zur Verfügung stehen, in einem historischen Wandel begriffen. Dementsprechend sind auch die Strategien der künstlerischen Repräsentation der Unendlichkeit einem historischen Wandel unterzogen.
Früher setzten die Künstler auf ihren Bildern bestimmte Zeichen, welche die Unendlichkeit andeuten sollten. Diese Zeichen wurden Religionen, Philosophien und Wissenschaften entnommen oder von den Künstlern frei entworfen. So wird die Idee der Unendlichkeit in der mittelalterlichen Kunst durch die Figur Christi verkörpert. In der Malerei der Neuzeit dienten die Darstellungen der Natur dem Ziel, auf das Unendliche zu verweisen. In den Zeiten der Avantgarde hat man dafür, wie es auf eine paradigmatische Weise Malewitsch getan hat, geometrische Figuren benutzt, die als im unendlichen Nichts frei schwebende dargestellt wurden. Heute assoziiert man die Unendlichkeit aber weniger mit der Natur als mit einer computergesteuerten Maschine. Das sich unendlich wiederholende Computerprogramm verkörpert für uns die »ewige Wiederkehr des Gleichen«, die Nietzsche seinerzeit zum neuen, genuin modernen Begriff der Unendlichkeit erhoben hat. Damit hat Nietzsche die Unendlichkeit oder Ewigkeit radikal demokratisiert. Nach Nietzsche gibt es kein spezifisches, metaphysisches Streben nach Unendlichkeit oder nach Ewigkeit. Vielmehr strebt jeder Wunsch nach Ewigkeit – nach der ewigen Wiederholung seiner selbst. Dementsprechend kann es kein besonderes Zeichen der Unendlichkeit geben, denn jeder Wunsch kann als ein solches Zeichen dienen.
In einer zeitgemäßeren Sprache kann man diese Einsicht Nietzsches so reformulieren: Jedes Programm und überhaupt jeder in der Zeit ablaufende Prozess werden unendlich, wenn sie in einen Loop gesetzt werden. Die Unendlichkeit, wie sie heute verstanden wird, ist die Unendlichkeit des Loop, der programmierten Wiederholung des immer gleichen Programms – unabhängig davon, um welches Programm es sich handelt. Dagegen kann freilich behauptet werden, dass die buchstäbliche Wiederholung des Immergleichen noch keine Unendlichkeit bedeutet, weil der Begriff der Unendlichkeit die Differenz mit einschließt. Wenn aber durch einen Zufallszahlengenerator nicht nur die buchstäbliche Wiederholung, sondern auch die Wiederholung der Differenz gewährleistet werden, ist die Programmierung der Unendlichkeit perfekt. Die Maschine wird dadurch definitiv unendlich, weil jeder Abschnitt der Tätigkeit dieser Maschine nur ein Beispiel dessen darstellt, wie diese Maschine in der Unendlichkeit, in der Ewigkeit funktioniert. Dabei handelt es sich um eine Unendlichkeit der Reproduktion, die der Produktion insoweit überlegen ist, als jede Produktion beim Produkt stehen bleibt – und endet. Der Mensch als produktives Wesen ist ebenfalls endlich. Nur wenn er reproduktiv, also maschinenähnlich wird, hat der Mensch eine Chance auf Unendlichkeit. Hier handelt es sich um einen Begriff der Unendlichkeit oder Ewigkeit, der gerade für unsere Zeit charakteristisch ist – und dem entspricht das Bild der Unendlichkeit sehr genau, das Kogler in seinen Arbeiten schafft.
Alle Arbeiten von Kogler präsentieren sich als Fragmente virtueller, unendlicher Reihen, deren Anfang und deren Ende dem Zuschauer verborgen bleiben. Der Zuschauer gewinnt aber bei der Betrachtung dieser Arbeiten das Gefühl, dass er trotz der Tatsache, bloß ein Fragment der Unendlichkeit, das ihm Kogler bietet, gesehen zu haben, nichts verpasst hat – denn es ist dabei offensichtlich, dass es immer so weiter geht. Die Arbeiten von Kogler suggerieren ein unendliches Undsoweiter – die ewige Fortsetzung des Immergleichen. In dieser Hinsicht stehen die Arbeiten von Kogler in der Nachfolge von Künstlern des Minimalismus der sechziger und siebziger Jahre wie etwa Daniel Buren, Sol LeWitt oder Donald Judd. Schon damals hat der Minimalismus die Wiederholung als Programm entdeckt, das die Ewigkeit generiert. In diesem Sinne war der Minimalismus zugleich ein durchaus megalomaner Maximalismus, der alle Grenzen des Endlichen sprengen wollte. Kogler gehört aber zu einer späteren Generation der Wiederholungskünstler. Und dieser Generationenunterschied macht sich sofort bemerkbar, wenn man seine Arbeiten mit denen der Minimalisten vergleicht. Die geometrischen Formen des Minimalismus markieren deutlich den Abstand, der die minimalistische Kunstproduktion von den lebendigen, sterblichen, endlichen Organismen dieser Welt trennt. Die potenzielle Unendlichkeit der minimalistischen Programme wird durch ihre Anwendung auf die ewigen geometrischen Formen zusätzlich unterstrichen und veranschaulicht. Der Bruch mit allem Vergänglichen, Diesseitigen, Imperfekten wird auf dieser Weise explizit betont. Kogler arbeitet dagegen in unserer Zeit, in der die Unendlichkeit vor allem mit der allgegenwärtigen und zugleich weitgehend unsichtbaren Vernetzung aller Computer durch das Internet assoziiert wird – einer Vernetzung, die zugleich eine Analogie zum universellen Metabolismus nahelegt, in dem alle lebendigen Organismen gefangen sind.
Nicht zufällig ist der durchaus organizistische Begriff der »Rhizome«, den Gilles Deleuze seinerzeit eingeführt hat, inzwischen zur populärsten Metapher geworden, um das World Wide Web zu charakterisieren. Diese Parallelsetzung von computergesteuerten und programmierbaren Netzen auf der einen Seite und organizistischen, rhizomatischen Netzen auf der anderen Seite hat wesentlich dazu beigetragen, dass Vernetzung zu einem positiven Begriff, gar zum Ort der Utopie wurde. Denn durch die totale Vernetzung scheint auch der organische, sterbliche menschliche Körper einen Zugang zur Unendlichkeit – zum unendlichen »Körper ohne Organe« – zu bekommen. In den letzten Dekaden ist die Utopie der totalen Vernetzung weltweit dominant geworden – auch wenn ihre Hauptvertreter oft höchst eigenwillige und idiosynkratische Geister sind, die keineswegs zu Repräsentanten einer bestimmten Doktrin erklärt werden können. Man begeistert sich dafür, dass sich das Subjekt im potenziell unendlichen medialen Zeichenspiel, das durch die totale Vernetzung entsteht, verliert, dass die Zeichen ständig und unendlich fließen, und dass dieser Zeichenfluss weder überblickt noch kontrolliert werden kann. Eben darin besteht eigentlich die frohe, revolutionäre, optimistische Botschaft des Denkens der Vernetzung: Die Zeichen entziehen sich durch die ständige Bewegung und Verschiebung ihrer Bedeutungen jeder bewussten Kontrolle seitens der Macht. Wer mit den Zeichen ständig mitfließt, ist frei – er entkommt dadurch jeder möglichen Kontrolle, Überwachung und Disziplinierung.
Das Gefühl, in einem unendlichen Netz zu zirkulieren, das man nicht überblicken kann, wird als ein ekstatisches und erhabenes Gefühl empfunden. Allerdings meldet sich inzwischen auch eine wachsende Skepsis in Bezug auf ein solches ekstatisches Sich- Verlieren im Netz. Die Netzekstase ähnelt nämlich nur allzu deutlich der Ekstase des Marktes, der sich hier als der verbotene Name des vernetzten Ganzen ankündigt. Was als ein antiautoritärer Diskurs intendiert war, der den Fluss der Sprache vom Subjekt der Überwachung, der Machtkontrolle und der Zensur befreien sollte, hat sich inzwischen als zeitgemäße Markt- und Managementstrategie entpuppt. Das ozeanische Gefühl, im subjektlosen, unendlichen, unübersichtlichen Netz zu schwimmen, gehört heutzutage zum normativen Marktverhalten – und ist jedem Aktienbesitzer bestens vertraut.
Die Arbeiten von Kogler können in der Regel als Metapher der totalen Vernetzung wahrgenommen werden – einer Vernetzung, die ihre eigene Struktur potenziell unendlich wiederholt. Dabei wird aber sowohl die Begeisterung des Künstlers für diese Vernetzung und ihr unendliches Fortschreiten als auch eine gewisse Ironie und Distanzierung in Bezug auf diese Begeisterung deutlich. Die Metaphern, die Kogler für die Vernetzung benutzt, sind nämlich ambivalenter Natur: Mal handelt es sich um eine ununterbrochene und wohlorganisierte Bewegung von Ameisen, mal um ein unendliches Verdauungssystem, mal um Ornamente, in denen man immer wieder ein Hakenkreuz wieder zu erkennen glaubt. Und darüber hinaus trifft das Auge immer wieder auf Sackgassen, welche die Bewegung nach vorne abbrechen und zur Rückkehr zwingen. Nun ist der Vergleich einer technisch perfekt organisierten menschlichen Gesellschaft mit der Lebensweise der Ameisen gerade in der utopiekritischen Literatur weit verbreitet. Und alle anderen Metaphern, die der Künstler für die allgemeine Vernetzung benutzt, sind genauso wenig schmeichelhaft. Die Räume, die Kogler schafft, sind optisch faszinierend, im besten Sinne theatralisch. Sie produzieren kraft ihrer unmittelbaren visuellen Wirkung beim Zuschauer das Gefühl der optimistischen Begeisterung. Dies führt dazu, dass der unaufmerksame Betrachter von Koglers Arbeiten ihre ironische, kritische, skeptische Seite leicht übersehen kann. Aber auch ein solcher unaufmerksamer Betrachter spürt die Atmosphäre des Unheimlichen, welche die optische Opulenz und Faszination von Koglers Räumen begleitet. Das unendliche Undsoweiter, das diese Räume beschwören, verschärft nämlich beim Zuschauer unweigerlich das Wissen um seine eigene Endlichkeit.
Bei aller dekorativen Attraktivität der von Kogler geschaffenen Räume vermitteln diese das verstörende Gefühl, mit einem Kunstverfahren zu tun zu haben, das die Grenzen der menschlichen Existenz programmatisch missachtet. Die Räume, die Kogler schafft, beschwören, wenn auch auf eine leicht ironische Weise, Gott als Maschine. Die Gott-Maschine wurde bekanntlich von den Avantgarden des 20. Jahrhunderts immer wieder angebetet. Die Maschine scheint in der Tat der letzte Ort des Göttlichen, des Erhabenen inmitten einer säkularisierten Moderne zu sein, denn das Funktionieren der Maschine ist der menschlichen Existenz transzendent. Interessanterweise lässt diese Einsicht die bekannte Theorie des Erhabenen korrigieren, die Jean-François Lyotard seinerzeit in seinem bekannten Essay »Das Erhabene und die Avantgarde« formuliert hat. Lyotard beginnt nämlich seine Interpretation der Kunst der Avantgarde mit der Feststellung, dass die Kunst – wie jede andere gesellschaftliche Institution – eine gewisse Dauer ihrer Existenz, eine bestimmte zeitliche Perspektive voraussetzt, die dieser Institution erlaubt, ihre Zukunft zu planen, zu berechnen und zu gestalten – und zwar weit über den Horizont eines individuellen Lebens hinaus. Dazu dienen Schulen, Programme, Projekte und Stile, die festlegen, wie es mit der Institution Kunst weitergehen, wie das unendliche Undsoweiter der Kunst aussehen soll. Wenn man diesen Regeln folgt, dann weiß man nämlich genau, was der nächste Schritt sein muss, wie das nächste Kunstprodukt aussehen muss. Und durch eine solche geregelte und vorhersehbare Produktion reproduziert sich die Institution Kunst immer weiter in die Zukunft hinein. Jede Kunst hat demnach etwas Maschinelles, Automatisches an sich – sie läuft immer weiter unter der Voraussetzung, dass sie immer weiter laufen kann, wenn nichts Besonderes passiert, das diesen Lauf unterbrechen würde. Das Erhabene der künstlerischen Avantgarde wird von Lyotard aber gerade als Zeichen der Weigerung verstanden, die Dinge so weiter laufen zu lassen, wie sie immer schon laufen, das heißt neue Kunstwerke nach alten Mustern zu produzieren und alte Projekte, Schulen, Trends und Programme immer weiter in die Zukunft zu tragen.
Dabei besteht Lyotard vor allem darauf, dass die Avantgarde selbst keine Poetik hat, das heißt kein Regelsystem für die Produktion von Kunst. Stattdessen will die Avantgarde einen unmittelbaren Eindruck auf den Betrachter machen – und dieser Eindruck soll ein Schock sein. Die Avantgarde schockiert, verunsichert, bringt aus der Fassung. Und diese Bestimmung scheint in der Tat der klassischen, kantianischen Bestimmung des Erhabenen zu entsprechen: Das Leben des Betrachters wird dabei zwar nicht unmittelbar bedroht – aber seine kulturellen Erwartungen werden auf eine schockierende Weise enttäuscht. So meint man, dass zumindest für feinfühlige Naturen ein solcher ästhetischer Schock groß genug sein könnte, um ihnen einen richtigen Schrecken einzujagen. Nach Lyotard folgt die Avantgarde keinem Plan, keinem Programm, sondern demonstriert bloß, dass »es passiert« – wobei unter dem »es passiert« eine Unterbrechung, eine Störung des Programms verstanden wird.
Die Wirklichkeit der avantgardistischen Kunstpraxis sieht aber völlig anders aus. Gerade die Avantgarde hat immer wieder quasi-maschinelle Programme der Kunstproduktion formuliert, um sich von den Unsicherheiten der menschlichen Existenz abzukoppeln. Die Avantgarde reagiert auf die allgemein bekannte Vergänglichkeit aller historischen Kunstrichtungen und Stile gerade mit dem Versuch, aus der geschichtlichen, »allzumenschlichen« Zeit auszusteigen und der Kunst eine unendliche virtuelle, maschinelle Zeitperspektive zu eröffnen – die Zukunft als Programm, Projekt, Plan. Es war gerade die radikale Avantgarde, die Programme und Projekte formuliert hat, die wie technische Programme eine neue, programmierbare Zukunft nach strengen Regeln anvisierten. Diese Programme und Projekte waren meistens extrem reduktionistisch. Doch um ein klares und erfüllbares Programm formulieren zu können, muss man viel historischen Ballast abwerfen, alles Zufällige, Zeit- und Ortsspezifische, um sich nur auf das Wesentliche und Universale konzentrieren zu können. Die klassische Avantgarde beginnt mit solchen klar definierten Projekten der Reduzierung auf das Wesentliche: Kubismus, Suprematismus, De Stijl, Bauhaus haben solche Projekte ausgearbeitet. Und gerade diejenigen Künstler und Kunstrichtungen, die Lyotard in seinem Text erwähnt, inklusive Barnett Newman, Daniel Buren und die Künstler des amerikanischen Minimalismus, haben ebenfalls eine klare und leicht nachvollziehbare Pogrammatik entwickelt, die in der Tradition der klassischen Avantgarde steht. Man kann in dieser Hinsicht von einem Fundamentalismus der Zukunft sprechen, der alle Avantgarden auszeichnet. Wohl bemerkt: Es handelt sich um einen Fundamentalismus der Zukunft und nicht um einen Glauben an den Fortschritt, der den Avantgarden so oft unterstellt wird. An den Fortschritt hat die Avantgarde gerade nicht geglaubt, denn der Fortschritt bedeutet historischen Wechsel, Veränderung, Austausch der Stile und der Kunstverfahren in der Zeit. Stattdessen wollte die Avantgarde das Minimale dessen freilegen, was die Kunst zu jeder Zeit als Kunst auszeichnet. An diesem Minimum sollte die Kunst aber unbedingt für alle Zukunft festhalten: Die Programmatik der Avantgarde besteht eben in dem Versuch, den Fortschritt der Kunst durch Reduktion ihrer veränderbaren historischen Merkmale auf einen Nullpunkt zu bringen. Die Avantgarde wollte die Null-Ebene der Kunst erreichen, um die Kunst als Institution dem historischen Wandel zu entziehen und damit zukunftsresistent zu machen.
Die Avantgarde ist also nicht deshalb reduktionistisch, weil sie die Kunsttradition schockartig beenden will, um in der Seele des Betrachters ein Gefühl des Erhabenen hervorzurufen – sondern weil der Künstler der Avantgarde davon ausgeht, dass alle regionalen und zeitbedingten Kunsttraditionen in der Zukunft ohnehin untergehen müssen. Eigentlich will die Avantgarde das Wenige retten, was noch zu retten ist. Sie sucht nicht den Untergang der Tradition, sondern umgekehrt eine Rettung vor diesem unvermeidlichen Untergang – wenn auch mit leichtem Gepäck. Nur derjenige, der nicht merkt, dass sein historisches Haus brennt, kann den Retter, der das Wenige retten will, was noch zu retten ist, für den Brandstifter halten. Genau diese Verwechslung liegt aber der Lyotard’schen Theorie der Avantgarde zu Grunde. Deswegen interessiert sich Lyotard auch nicht für die konkreten Programme der Avantgarde: Er interessiert sich nicht für das Versprechen der Zukunft, welches das avantgardistische Werk in sich enthält. Für ihn ist nur das interessant, was die Avantgarde an Ballast hinter sich gelassen hat – das, was verbrannt, und nicht das, was gerettet wurde. Und so merkt er auch nicht, dass die Vergangenheit erst im Licht der Avantgarde und vor dem Hintergrund der avantgardistischen Programmatik ihrerseits als Programm und Projekt verstanden werden kann. Erst nach dem Aufkommen der Avantgarde kann die Vergangenheit als Zukunftsprojekt verstanden werden – durch eine Interpretation, welche die Kunststile der Vergangenheit ihrerseits wie avantgardistische Programme und Projekte behandelt.
So kann man, wenn man will, die Kunst von Kogler als ein radikales, genuin avantgardistisches Programm verstehen, das ihm erlaubt, die österreichische Tradition der Palastkunst in die Zukunft fortzusetzen. Die Wandmalerei wird nämlich, im Unterschied zum Staffelbild, vor allem für Paläste und nicht etwa für Museen geschaffen. Und jeder, der in Wien zu Besuch war, weiß, dass es gerade die fast omnipräsente Wandmalerei ist, die auf einen Besucher den größten Eindruck macht. Die Thematisierung der Wandfläche, die Kogler in seinen Arbeiten unternimmt, erinnert übrigens in vielerlei Hinsicht an die Thematisierung der Bildfläche, wie sie in der Malerei von Pollock praktiziert und von Greenberg theoretisch reflektiert wurde. Während der österreichische Aktionismus durch ein produktives Missverständnis das Gestische, das Aktionistische bei Pollock fortzusetzen glaubte, setzt Kogler das All-Over-Prinzip und die Thematisierung der Fläche bei Pollock fort. Indem er dies aber im Medium der Wandmalerei und nicht im Medium des Staffeleibilds tut, gewinnt Kogler die Möglichkeit, ortsspezifische Räume zu schaffen – und somit auch die Verfahren von Minimal Art und Concept Art produktiv anzuwenden. Doch vor allem findet er dadurch die Möglichkeit, eine unverkennbar österreichische Kunst weiter zu praktizieren, die zugleich von all ihren lokalen Traditionen und Usancen radikal gereinigt ist. Indem Kogler die Wand als Fläche explizit thematisiert, macht er diese Wand potenziell unendlich und gewinnt somit die Chance, die Tradition der palastartigen Wandmalerei immer weiter fortzuführen – und zwar auf durchaus zeitgemäße Weise. Die Avantgarde eröffnet der Kunst eine Zukunft eben dadurch, dass sie explizit auf das Medium verweist, das imstande ist, die Kunst immer weiter zu tragen. Dieser potenziell unendliche Überschuss an zukünftiger Zeit erzeugt sowohl Hoffnung und Begeisterung als auch ein Gefühl, der maschinellen Monotonie des Weltganzen restlos ausgeliefert zu sein. Es ist das große Verdienst der Kogler’schen Räume, dass sie dieser Ambivalenz der Gefühle einen überzeugenden und zugleich attraktiven optischen Ausdruck verleihen.