Was ist dieser überdimensionale, weich fallende Vorhang, der die hohe Wand gegenüber dem Eingang im Foyer der Bonner Bundeskunsthalle im Herbst 1996 verhüllt, der die architektonische rigide Form mit Stoff verkleidet? Fünf horizontalen Ornamentbändern steht man gegenüber. Sie vervielfältigen den Anblick eines Gehirns oder genauer gesagt: zwei übereinandergelagerte, gegeneinander verschobene Gehirnreihen lassen fünf Balken von Gehirnwindungen entstehen. Die vervielfältigte Topographie eines Organs, das wesentlich vom Verhältnis seiner ungleichen linken und rechten Hälfte bestimmt ist, gliedert die riesige Wandfläche. Das Bildelement löst sich in der vielfachen Wiederholung auf und bleibt doch bedrohlich eigenständig in dieser Redundanz des Musters. Ornament ist Überfluß, ist Erstarrung des Überflusses, gegen Entropie gerichtet. Der Blick auf die Aufsicht eines Gehirns ist ein eigenartig reflektierter Blick, der sich mit dem Gedanken an das eigene Gehirn - das Gehirn macht sich ein Bild von sich selbst - verknüpft.
Tapeten und Vorhänge, wie sie von Peter Kogler für verhüllende und verwandelnde Raumeingriffe verwendet werden, sind von der wechselhaften Geschichte des Ornaments nicht zu trennen.. Die Form und Begrenzung des Innenraums zu gliedern und flächenweise bildhaft aufzulösen mithilfe des Bildes oder Symbols und dessen Vervielfältigung im Ornament war gleichbleibender Impuls wechselnder Stile. Immer wurde hier die Schnittstelle von Außen und Innen, Raum und Fläche, strenger Gliederung und Bilder-Überfluß bearbeitet. Das repräsentative und rhetorische Vermögen allgemeiner Bilder stand dabei zur Verfügung.
Kogler befreit die mittlerweile im 20. Jahrhundert bilder- und ornamentlos gewordene Innendekoration aus ihrem privaten Reservat, gestattet ihr wieder Bilder und setzt sie dem Diskurs der zeitgenössischen Kunst aus. Er transponiert sie in jene Räume, die heute dazu da sind, ständig verwandelt zu werden, in Ausstellungsräume, die öffentliche Räume sind. Er stülpt diesen etwas über, was überwältigend ist und doch zeichenhaft bleibt, ein hoch formalisiertes Werk, das mit der Eindringlichkeit eines ikonenhaften Bildes arbeitet. Das Bild des Gehirns wird in diesem Verfahren explizit ein öffentliches Bild, eines, das der Allgemeinheit gehört.