Galerie Mezzanin

Noise: Von der Kunst der Malerei, Publikation anläßlich der Ausstellungen im Gustav-Mahler Saal der Wiener Staatsoper, Text: Goschka Gawlik 2007


Katrin Plavcaks Malerei bietet ein breites Register an gefundenen Motiven als Ausgangspunkt für ihre imaginären Narrationen, die bei der Betrachtung durchaus ein Gefühl der Gegenwärtigkeit erzeugen können. 
Ihre Bildwelt setzt sich aus Bildmotiven der Popkultur aber auch aus Bildern, die sozialhistorischen, politischen und kosmischen Überlegungen entspringen, zusammen. Persönliche Erfahrungen, Beobachtungen und Erinnerungsstücke sind ein wichtiger Antrieb der Inspiration. Zu diesem Erfahrungsschatz zählt auch ihre Mitwirkung an der Indie-Pop Band Blendwerk, bei der sie jahrelang als Sängerin mit "neurotischem Gesang" agierte. Die Band spielte "Underground Garagen Sound mit vertrackten Takten" und war wegen der lärmigen Heterogenität des von ihr bevorzugten Musikgenres auf Ver-Störung des musikalischen Status quo aus.

Plavcaks Malerei reflektiert ihre musikalischen Wurzeln: sie ist von spontan-emotionaler, surrend "gotischer" Darstellungsart, die das Dargestellte in eine Art sphärischem Rauschen zum Verschwinden bringt. Obwohl ihre Bildmotive und die darin gefangenen Figuren, dem Alltäglichen verhaftet sind, wird bisweilen das reale Bild durch einen Bruch der Perspektiven zu einem "etwas monströs Fremden" (Judith Butler) verändert. „Der Horrorfilm interessiert mich sehr: die Kameraführung, wie die Bilder eingefangen werden und wie der Betrachter einbezogen wird: Man sieht den Ausschnitt eines Bildes, dann wird der Blick teilweise verstellt, das Kreisen um eine Szenerie, eine normale Situation und plötzlich passiert etwas Unheimliches. Das ist oft nur ein kleines "Verrücken".

Gerne zitieren ihre Bilder verschiedene stilistische Konventionen. 
Eine dieser Konventionen ist beispielsweise die geheimnisvolle Ikonosphäre der Raumeroberung einer utopischen Zeitepoche. Diese Bilder rufen fiktiv die Epoche einer "großen Erzählung" in Erinnerung, in der es Raumfahrer und positive Helden aus Marmor oder Stahl mit der Zuversicht auf eine vorhersehbare Zukunftslogik gibt. Neben kosmischen Visionen von Gestern spielen in ihren Gemälden aber auch zeitgenössische irdische Probleme, wie Globalisierung, Migration oder die allgegenwärtige Paranoia eine Rolle. Die Malerin läßt medial Bekanntes und Alltägliches gleichwertig neben Irrealem in Form mythischer oder mystischer Fabelwesen und dunkler Zuflüsterer auftreten. Dabei inszeniert sie auch die Helden aus dem All gleichsam mit einer Prise Humor als nostalgisches Dekor. Ihr Bild "Stalakmit und Stalaktit" dominiert eine gegensätzliche Stimmung: eine sich auf der Flucht befindende Bevölkerung wird durch das Auftreten zweier Phantome, die an Ku-Klux-Klan Mitglieder erinnern, symbolisch aus dem Leben ausgeschlossen. Das ausgeschlossene, "nackte Leben" statt selbst bestimmter Handlungsmöglichkeiten beschreibt, laut Agamben die aktuelle, von einer souveränen, weil ungreifbaren und unsichtbaren Macht eingeräumte Option für die gescheiterten Existenzen.

Die Differenz zwischen Bild und Bildmotiv wird in Plavcaks Bildern performativ statt repräsentativ formuliert. Daher ruft sie erneut und immer wieder die Mythen der Moderne in Erinnerung und spielt unweigerlich auf deren inszenierte Schauplätze an, "die als solche das Begehren realisieren und inszenieren" (S. Zizek). Das Erinnern heißt bei ihr immer wieder wiederholen, wiedermalen, "wiederkauen". Geheimnisvolle Häuser, fiktive Skulpturprojekte, skurrile Personen in Grün werden voller Poesie zu Objekten einer phantasmagorischen Begierde, zu Metaphern einer Vision von einer besseren Welt. Plavcaks Bilder verkörpern in ihrem zarten, oft fraktalen Farbauftrag und fragilen Spiel der Lichter ein Einfrieren von individueller Zeit im weiträumigen Universum.