Galerie Mezzanin

Text von Gunter Reski zu Katrin Plavcaks Arbeiten in der Gruppenausstellung Immer Bunter - Aktuelle Malerei aus Österreich, Galerie im Taxispalais, Innsbruck, 2012

 

Binnenwesen ohne Rührungsmomente

 

Neues Leitmedium werden demnächst Computerspiele sein, das kam im Radio kürzlich beim Bericht über die Computergame-Messe in Köln. Zumindest diese leidige Diskussion ist die bildende Kunst dann endlich los. Inwieweit Malerei jetzt eines der bedürftigen Hauptmedien ist – wie die Skulptur schon länger – oder sich langfristig als souveränes Nebenmedium durchschlägt, ist so auch nicht weiter von Belang. Im Zuge dieses ausklingenden Medien-Rankings gesteht Andre Rottmann im Vorwort des kürzlich erschienenen Bändchens „Über Malerei“[1] der Malerei eher leicht genervt ein beachtliches Beharrungsvermögen zu. Abseits ihrer angestammten, wie vermutet erschöpften Kernkompetenzen habe sie sich immerhin malereiuntypische Areale im heutigen Kunstvokabular als Displaymoment, Raumfaktor oder performatives Dokument erobert. Wenn schon Malerei, dann bitte so, dass man es möglichst wenig merkt. Arbeiten von Sergej Jensen, Karla Black oder Wade Guyton kann man auch so verstehen. Katrin Plavčaks Arbeiten kennzeichnen eine große Bandbreite unterschiedlicher Bildlichkeiten in flachen wie in räumlichen Formaten. Was etwas fälschlich nach hoher Datenrate klingt, entspricht ihrem Malereiansatz dann doch im Sinne eines schnellen behenden Zugriffs. Sie benutzt die Malerei, und nicht umgekehrt, wie das mitunter bei den geborenen Malern der Fall zu sein scheint. Ausgangs- und Überwindungspunkt sind unterschiedlichste Realitäten, von frappierend alltäglich bis abstrus amüsant. Eine bestimmte Flüchtigkeit korrespondiert ernüchternd mit vielen ihrer Motiven aus dem medialen Durchlauferhitzer. Der trockene, tendenziell sachdienliche Pinselauftrag hält bewusst Abstand zu traditionellen Rührungs- und Fetischmomenten und entschlackt  gleichzeitig die Verführungskünste fotografischer Oberflächenreize, was den Betrachter so näher an den Kern des eigentlichen Bildgeschehens heran rücken lässt, anstatt ihn mit zunehmender technoider Brillanz und Bombast eher auszusperren. Eine vermeintliche Bedürftigkeit in der Malerei entfaltet hier im positiven Sinn eine Askese, die malerischen Budenzauber genauso wenig beanspruchen muss wie prototypische Bad-Painting-Attitüden.

 

Einige der ausgestellten kleineren Formate zeigen mal explizit (Tepco, 2011), mal weniger deutlich Personen des jüngeren globalen öffentlichen Lebens (Gaddafi hinterm Regenschirm, Julian Assange von Wikileaks wie mit weggeblitztem Gesicht). Insbesondere die Ambivalenz als Charakteristik dieser Figuren, mag diese auch medial konstruiert oder selbst veranlagt sein, interessiert Plavčak als mentales Motiv. Diese Figuren zwischen Tagespolitik und Zeitgeschichte mit einer medialen Halbwertzeit von Tagen bis Monaten sind als Protagonisten verknüpft mit skandalös belasteten Vorkommnissen. Jede Katastrophe braucht anscheinend ultimativ ein Gesicht, um es möglichst unlöschbar in einer Art medialem Weltgedächtnis einzupflanzen. Das Gletschersterben weiß davon auch ein langes Lied der Nichtbeachtung zu singen. Vielleicht wurden Gesichter ohnehin nur als bestmögliche Identifikationstrigger schon von Göttern oder anderen frühzeitlichen Schöpferkräften kreiert. Die personifizierten Symbole werden wiederum zu gesundgeschrumpften Inkunabeln, denen der mediale Popanz wie der vermeintliche Realismus eines lebenden Konterfeis durch malerische Essentialisierung entzogen wird. Plavčaks malerische Auslassungen machen Assange oder den Tepco-Chef zu jenen Binnenwesen, die zwischen medialer, hysterischer Verklärung und eigener möglicher Verantwortlichkeit mitunter das eigene Spiegelbild mit dem nächsten Spiegel-Cover verwechseln.

 

Diese Art querulanter Tagesschau-Malerei ist nur ein Teilbereich innerhalb Plavčaks produktivem und vielschichtigem Oeuvre. Das Gruppenbild zählt auch zu ihren bevorzugten Bildgenres. In einer Art Wimmelbild (Gelebte Demokratie, 2011) mit viel Körpersalat werden einige real geschehene Prügeleien in unterschiedlichen Parlamenten zusammen in einem Bild verarbeitet. Diese anschaulich handfeste Diskussionsform zeigt eindringlich die erodierenden Parameter innerhalb des westlichen Demokratieverständnisses insgesamt. Das Gruppenbild Painting History Revisited (2012) versucht auch als kunsthistorisches Korrektiv zu wirken, wenn es in einer Coverversion von Max Ernsts berühmten Surrealistengruppenbild Das Rendezvous der Freunde (1922) viele zu Unrecht vergessene Künstlerinnen vergangener Jahrhunderte würdigt. Die im 17. Jahrhundert berühmte Portraitmalerin Élisabeth Vigée-Lebrun (u.a. auch von Marie Antoinette) wie auch Adélaïde Labille-Guiard als Gründerin der ersten Pariser Frauenschule für Malerinnen versammeln sich hier mit Artemisia Gentileschi, eine der wenigen erfolgreichen Barockmalerinnen, die damals auf Augenhöhe mit Caravaggio sich auch am höchsten geachteten Genre des Historienbildes zu behaupten wusste. Als ein relativ neues Bildformat sind darüber hinaus fahnenartige Stoffassemblagen in der Ausstellung mit vertreten. Das Fahnen- und Bannerformat bringt von sich aus bereits soviel bedeutungsschwere Symbolik mit, dass selbst einfachste Abstraktionsrhetorik erheblich mehr Inhaltlichkeit verbreiten kann, als wenn ähnliche Kompositionen sich auf einem Keilrahmen ereignen würden. Wie sich in dieser abstrakten Emblematik Inhaltliches ein- oder auch herausschleicht, zeigt die imposante Vielfalt an Zugriffsmöglichkeiten von Katrin Plavčak mit unterschiedlichsten Bildmomenten.

 

Gunter Reski, 2012

 

[1] Isabelle Graw, Peter Geimer; Über Malerei, August Verlag, 2012