Galerie Mezzanin

Die Themen in den Bildern von Katrin Plavcak scheinen auf den ersten Blick innerhalb einer europäischen neofigurativen Tradition zu stehen, die sich sehr bewusst von jenen modernen Malereitraditionen unterscheiden will, deren Weg in der einen oder anderen Form in Richtung Abstraktion geht. Die Moderne wird als ein herrschender Kanon empfunden, dem wiederum eine ‘malerische’ Attitüde entgegengesetzt wird, und das heißt dann auch, dass eine Rückkehr zur Figur stattfindet. Gleichzeitig ist diese neue gegenständliche Malerei aber in ihrer Repräsentationsfunktion gebrochen, indem sie diese ironisiert oder konzeptuell verfremdet. So verharrt sie im Grunde genommen in einer Gegenposition, entweder eben hinsichtlich der klassischen Moderne oder hinsichtlich jener künstlerischen Praktiken, die über Malerei und Skulptur hinausgehen. Fülle und Fröhlichkeit werden einem kritischen Reduktionismus gegenübergestellt.

Plavcaks Malerei scheint hier anzusetzen: Man kriegt zunächst den Eindruck einer Unerschrockenheit und Frische der Künstlerin vermittelt, was die Themen und deren Ausführung betrifft. Die verschiedensten Motive haben aber gleichzeitig etwas Gebrochenes an sich und wirken oft wie Schnappschüsse des geistigen Auges der Künstlerin, bei denen nicht in der richtigen Millisekunde auf den Auslöser gedrückt wurde. Springende Hunde, verrenkte Körperteile, Gesichter, deren Ausdruck sich sofort verflüchtigen will oder in seiner Ambiguität undurchdringlich ist. Oder die Ansicht einer Demonstration, in deren Vordergrund sich ein übergroßes Objekt geschoben hat.

Die Wirkung ist die eines unterbrochenen Films, aber eben kein Film-Still und keine Photographie, sondern ein Bild, das in einer Bewegung bleibt und zeitlich keinen Anfang und kein Ende hat. Es entsteht nicht einmal der Eindruck eines Moments, und so kann sich kein Inhalt wirklich manifestieren. Ein Gefühl, das den Bildern näher kommt ist jener kurze Zeitpunkt, an dem man die Augen beim Erwachen öffnet und sich noch kein wirklich interpretierbares Bild ergibt, nur schemenhafte Formen, die sich auf dem Weg dahin befinden. Ein Inhalt kommt erst danach und allmählich und ergibt auch nicht wirklich etwas Narratives, sondern nur Bruchstückhaftes und nach allen Seiten Offenes.

Auf manchen Bildern, wie etwa Geister, gibt es zwar auch abstrakte Figuren oder Ornamente, diese haben aber nichts Zusätzliches an sich, sondern scheinen auch auf dem Weg zum endgültigen Bild angesiedelt zu sein. Ein Selbstportrait wie obskure Melancholie zeigt Tränen, die ihre Geschichte verbergen und so den Kopf als eine Art Barriere für die dahinterliegende Meerlandschaft erscheinen lassen. Die Babies in Klonies entziehen sich einer Unterscheidung zwischen Vordergrund und Hintergrund und kriegen so eine tapetenartige Ornamentik und das Bild könnte sich als Muster endlos fortsetzen. Im Bild Merkel mit Kalb wird der ironische Inhalt fast völlig von der klaren Bildaufteilung und der farblichen Gegensätzlichkeit aufgesogen. In der Arbeit treten an solchen Stellen sehr reduzierte, fast minimalistische Qualitäten zu Tage. Oder im Portrait bB, wo es der ausdrucksstarke Blick zur Seite wiederum mit der klar durchorganisierten Flächigkeit aufnehmen muss.

In Ausstellungen bringt Katrin Plavcak immer wieder große Wandzeichnungen zwischen ihren Tafelbildern an wie einen überdimensionierten Astronauten, der um eine Ecke gezeichnet ist, eine Qualle oder einen Lastwagen. Hier geht es nicht so sehr um das Einführen neuer Figuren, sondern vielmehr um die Gesamtinstallation und dabei um die Relativierung des Bildes als alleiniger Träger der Erzählung. Die Formen der Außenwelt werden nicht als Erzählungen ins Bild gerückt - inhaltlich bleiben sie fragmentarisch und oft verschlossen. Beim Betrachten führt dies immer wieder dazu, dass man keine bedeutungsvollen Gesamtheiten, sondern flüchtige Eindrücke aus den Bildern liest, die von der Künstlerin als Flächenarrangements und nicht als Geschichten bearbeitet werden. Es ergibt sich so ein immerwährendes Oszillieren zwischen den verschiedenen Ebenen, das Spannung in den Bildern erzeugt. Die Motive haben etwas von Ready-Mades oder geistigen Fundstücken an sich, tief bedeutungstragend oder fast bedrohlich und völlig banal zugleich. Einmal ist eine Wand mit Schnittmustern eines ’Volks-Hausschuhs’ bedeckt, die wie minimalistische geometrische Bildformen den Hintergrund für Malerei abgeben.

Dies scheint mir symptomatisch für das gesamte Werk zu sein: Die Basis oder der Hintergrund dieser Malerei ist nicht so leicht bestimmbar, es wird keine umgekehrte Logik zur abstrakten Malerei entwickelt, sie wird nicht einmal verlassen, sondern nur mit Bildern zusammen angeordnet. Genausowenig sind aber auch die Thematiken auf ein Programm reduzierbar. Die Geschichte der Malerei lässt sich beim Betrachten nicht mehr in Zustände einteilen.

Die Künstlerin geht mit den Dingen so offen um, dass das Medium nicht mehr abbildet, gleichgültig ob es sich um figurative oder nicht-figurative Repräsentation handelt. Ein permanenter Fluss will alle Möglichkeiten erlauben und keinen Aspekt ausblenden. Gleichzeitig soll dem Gefühl von zuvielen und zuwenigen Bildern entgegengewirkt werden. Speziell die Malerei wurde und wird immer nach den Absichten klassifiziert, die hinter ihr stehen. Bei Katrin Plavcak ist das nicht so leicht möglich, da solche Einteilungen die Arbeiten zu sehr einengen würden. Sie bedient sich im übervollen Repertoire malerischer Möglichkeiten, mischt das Vorgefundene immer neu ab, und erst am Ende all dieser Prozesse und Anordnungen eröffnet sich der große Raum, der ihr Programm ist.