Galerie Mezzanin

Text von Gunter Reski zur Ausstellung Heavy Welt, Österreichisches Kulturforum Prag, 2012

 

Mehr Wanderbaustellen im Auge des Betrachters

 

Katrin Plavčaks Kunst arbeitet mit mehreren Komponenten an der künstlerischen Medienfront. Ihre Malerei bildet hierbei eine Art Schwerpunkt innerhalb einer Vielfalt verwendeter Medien von installativer „Szeneplastik“, Videoskulpturen bis zu Wandmalerei. Diese Bandbreite ist für eine Malerin unüblich wie erfrischend, jedenfalls nicht den gängigen Vorurteilen entsprechend, wonach Maler neben Literaten noch zu den letzten echten Gattungsidentitäten oder auch - opfern zählen. Katrin Plavčaks übergreifender Ansatz steht für eine gegenwärtig adäquate postmediale Arbeitsweise, die eine monomediale Fokussierung fast kategorisch ausschließt. Ob sie noch eine sogenannte echte Malerin ist, erscheint höchstens zweitrangig. Die Blickinszenierung in ihrer Malerei, es gibt fast immer einen zu imaginierenden Bildraum, ist genauso ausschlaggebend und präzise wie die Gesamtinszenierung im Arrangement ihrer Ausstellungen. Einfach viele flache Rechtecke an den Wänden im Ausstellungsraum, so wird eine ihrer Ausstellungen nie aussehen.

 

Während zeitgenössische figurative Malerei oft ihre Protagonisten verloren in semiromantischen oder posturbanen Landschaften ihrer Entfremdung überlässt, sind bei Plavčak eine Reihe von mäandernden thematischen Wanderbaustellen im Spiel. Eine abschließende serielle Erörterung ist ohnehin ein fahrlässig falsches Versprechen gegenüber jedem Betrachter. Die inhaltlichen Ausgangspunkte betreffen das konkrete soziale Tagesgeschäft genauso wie abstrahierende Blickwinkel auf architektonische Raumeroberungen. Auch verabschiedete Hoffnungsträger der Menschheit wie die bemannte Raumfahrt und antiquierte Science-Fiction-Utopien werden unter dem Aspekt ultimativ abstruser Kolonialisierungsphantasien jedwedem Fremden gegenüber nachbearbeitet. So entsteht weiter eine visuelle Wiederaufbereitung zwischen Trauerarbeit und Belustigung.

 

Es geht um eine inhaltliche Verkörperung des Bildes und eine jeweilige thematische Kopplung, die via Malerei repräsentiert und veräußert wird. Mediales Found Footage als Arbeitsgrundlage wird in einer anderen Oberfläche wie falsch geparkt verrätselt und die irritierten Wiedererkennungswerte setzen durch Entfremdung per Malerei veränderte Einsichten frei.

 

Gegen die visuellen Fluten der Gegenwart kommt man nicht an. Man kann aber mit ihnen jonglieren, anstatt sich auf kunsthistorische Rückzugsgefechte zu begeben. Plavčaks Malweise operiert von der Seite des Artefakts oder Schimäre her (in einer entkernten Geisterhaftigkeit ...) in Bezug zu weltlichen Gegenständlichkeiten und Konstellationen. Das Fehlen bzw. die bewusste Nichtverwendung bestimmter suggestiver handwerklicher Bildbearbeitungstechniken, egal ob als Eyecandy digitaler Art oder Fingerfertigkeiten per Pinsel, wird zum indirekten Qualitätsmerkmal. Das Einzelbild steht im Dienste jeweils offener Bedeutungsketten. Es werden punktuelle Realitäten und gesellschaftliche Situationen in entschlackter Form verbildlicht und quasi der sogenannte Realismus als Filmdiva direkt nach dem Abschminken vorgeführt. Die dünne Malweise korrespondiert mit einem zügigen Zugriff auf ein großes Spektrum an Bildgenres und hoher Produktivität im Studio. Der flüchtige Malduktus spielt gezielt mit dem überforderten Wahrnehmungsapparat aller Zeitgenossen, der sich bedingt durch permanente Reizüberflutung kaum entscheiden kann, welche visuellen In- und Outputs des akuten Moments er gerade kurz vor dem Vergessen noch wieder hervorfischen müsste, oder was möglichst schnell auf Nimmerwiedersehen verblassen soll.

 

Gunter Reski, 2012