For the Birds
Text von Andrea van der Straeten
Tiere oder dem Tier verwandte Wesen spielen in den Bilderfindungen von Katrin Plavcak eine große Rolle, wie man schon bei früheren Arbeiten entdecken konnte: Kätzchen, Affen, Ziegen – wie auf Heidis Alm -, Hunde, sogar domestizierte Wildkatzen lassen auf den ersten Blick an eine lebendig gewordene „Steif Knopf im Ohr – Welt“ denken, oder an die „Vermenschlichung“ der Tiere, wie sie uns quasi disneyfiziert in der Unterhaltungsindustrie entgegen tritt. Aber auch in diesen früheren Arbeiten verrät der Blick der Tiere und mehr noch: der mit ihnen befassten Menschen etwas über die Welt hinter dieser „Ich spiele mit meinen Tieren“ - Fassade. Sie sprechen von ambivalenten Gefühlen: schräge Blicke aus den Augenwinkeln von Berechnung und Bosheit, aufgerissene Augen von Erschrecken und Angst.
In den neuen Arbeiten erreicht diese Ambiguität auch die Tierfiguren selbst: es sind nicht mehr der Hund oder das Kätzchen, es sind aber auch nicht der Schwan, der Adler, die Schwalbe oder gar die Taube, also Vögel mit einem „einwandfreiem Leumundszeugnis“ im Kanon der allegorischen Deutungen, die hier auftauchen. Statt dessen sind es, wie z.B. der Rabe die Pendler zwischen Nord und Süd, Ost und West, die sich um Zuwanderungsbestimmungen und Migrationsraten einen (Vogel-) Dreck scheren. Ein hoher Prozentsatz der Krähen oder Raben, die mit uns in Wien leben sind aus der Ukraine, und die heimischen unter ihnen plagen sich als so genannte Tagespendler mit beachtlichen An- und Abflugwegen: sie kommen frühmorgens z.B. aus dem Waldviertel zur Futtersuche in die Stadt und fliegen abends in ihre „Vororte“ zurück. (Boku/ Ornitholog. Institut).
Ein, mit „Die Gegenwart“ betiteltes Gemälde René Magrittes von 1938/39 zeigt einen Adler, bekleidet mit einem schwarzen Jackett. Katrin Plavcaks Hühnerhof mit seiner hierarchischen Ordnung, wo auf eindeutig menschlichen Beinen stolzierende Hühner dem aufgeplusterten schwarzen Hahn lauschen, greift eine solche satirische Anverwandlung der Tiere an die menschliche Sozialstruktur oder vice versa ironisch wieder auf.
Raben, Hühner, Eulen... die „birds“, denen Katrin Plavcak ihre Arbeit quasi widmet, haben alle ein ambivalentes Image, eine dunkle Seite. Der Rabe, ursprünglich das heilige Tier der Göttin Athene ist flink und gewitzt, aber auch geschwätzig und seiner Indiskretion wegen soll Apoll dessen weißes Gefieder in ein düsteres Schwarz verwandelt haben, das fortan mit Unglück und Tod in Verbindung gebracht wurde. Und die Eule, die den Raben an Athenes Seite ersetzte, gilt zwar als Symbol des Wissens und der Weisheit, aber auch als Künderin bevorstehenden Verfalls und nahen Todes. Über das biblische Edom heißt es bei Jesaja: „Dohlen und Eulen nehmen es in Besitz, Käuze und Raben hausen darin.“
Wenn wir im Feuer und Rauch, die den Himmel über einer bombardierten Stadt - Beirut? - das Bild einer Eule erkennen, ist es nicht nur das Erblicken eines Todesboten, sondern auch die mögliche Wahrnehmung einer kausalen Ordnung. Denn die, bei Vögeln untypischen nebeneinander stehenden Eulenaugen und die Federohren lassen auch ein menschliches Gesicht erahnen. Es ist keine biblische Feuersbrunst, die über die Stadt gekommen ist, sondern die bewusst gesetzte und gesellschaftlich sanktionierte Aggression, die wir unter klangvollen militärtaktischen Namen kennen, und die den machtpolitischen Interessen und Strategien der Ressourcensicherung und – Verteilung dienen, von denen wir immer wissen, die aber nie ausgesprochen werden.
„Weil der Autor überzeugt ist, dass die Kritik menschlicher Irrtümer und Laster auch Gegenstand der Malerei sein kann, hat er als angemessene Themen für seine Arbeit aus der Vielzahl der Extravaganzen und Torheiten, die jeder menschlichen Gesellschaft gemeinsam sind, und unter den vulgären Vorurteilen und Betrügereien, wie sie durch Gewohnheiten, Unwissenheit oder Eigennutz sanktioniert sind, jene ausgewählt, die er für besonders geeignet hielt, ihm Stoff für das Lächerliche zu liefern und gleichzeitig die künstlerische Phantasie anzuregen.“
Diese Zeilen erschienen 1799 auf der Titelseite der spanischen Tageszeitung Diario de Madrid und kündigten die Serie der „Caprichos“ von Francesco Goya an, von denen die bekannteste Radierung eine Anregung für die Gestaltung des Himmels über Beirut bei Plavcak gewesen sein mag: „Der Schlaf /der Traum der Vernunft erzeugt Ungeheuer“. Sie zeigt einen schlafenden Künstler, über dessen Haupt sich im Dunkel Eulen und Fledermäuse bedrohlich zusammenrotten.
Was Katrin Plavcak mit ihrer künstlerischen Arbeit, vor allem der malerischen, aus dem Fundus (kunst-)historischer Positionen wieder herauf holt ist aber nicht nur ein visuelles Zitat, das quasi neu aufgeladen wird mit den sozialen und politischen Konfliktpotentialen der Gegenwart; es ist etwas, das in Hinblick auf die aktuellen Diskurse über künstlerische Positionen zwischen Gesellschaftskritik und Sozialarbeiterimage einerseits und einer ästhetischen Formfindung und autonomen künstlerischen Selbstbehauptung andrerseits als viel wichtiger und fesselnder zu erachten ist: das Recht und das Beharren auf einer „Ausschweifung der Einbildungskraft“. Für eine solche Verbindung von phantasievoller Ausschweifung mit dem konzentrierten, aufklärerischen Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse steht dieses Zitat der Arbeit Goyas.
Das Kunstwerk „beginnt im Bewusstlosen, das allem Technischen vorhergeht. Wer sich dieses Ursprungs nicht versichert, bringt nur „ein Werk der Besonnenheit hervor“.
(Brief Schillers an Goethe vom 27.3.1801)
Diese „bewusstlose“ oder besser vielleicht „wachträumerische“ Verknüpfung von gefundenen Motiven aus dem malerischen Kanon mit unsrer gegenwärtigen mediatisierten Wahrnehmung, die weniger von faktischen Raum-Zeit-Grenzen bestimmt wird als vielmehr durch die Grenzen, die unsre emotionalen Abgrenzungen, Vorurteile und Berührungsängste bestimmen, machen die Magie dieser Bilder von Katrin Plavcak aus, - oder der Objekte, mit denen die Bilder in eine Art visuellen Dialog treten. Die aus Karton gebauten Objekte scheinen in modellhafter Weise Wohnformen zu zitieren, können aber im Rückbezug auf die Bilder auch anders gelesen werden: als quasi Skulptur gewordene Prävention erinnert das eine an die Wassertanks, die in dichtem urbanen Umfeld auf Flachdächer montiert den schnellen Brandschutz ermöglichen; das andere lässt in seiner ökonomischen Verknappung an Behelfs- oder Notsärge mit ihrer Verjüngung vom Schulterbereich zu den Füßen denken. Die Bilder medialer Berichterstattung haben sich in unser visuelles Repertoire eingeschrieben. Es gibt in der Kunst kein Jenseits der Medien mehr, wie Peter Weibel es unlängst formuliert hat. Die, im positiven Sinne skrupellose Nutzung bekannter Motive und Techniken und ihre, mit Hilfe der Ausschweifung gefundene traumwandlerische Verknüpfung mit unerwarteten Versatzstücken heutiger Wirklichkeitserfahrung, das Überfliegen aller Terrains, auch der diversen künstlerischen Gebietsabsteckungen machen frei. Auch eine künstlerische Position. In diesem Sinne: ... for the birds...